1 month ago

Eine US-Wahlleiterin erzählt: Ein Kampf an der Frontlinie der Demokratie



Der Beruf der Wahlleiterin in Washoe County gleicht einem Fronteinsatz. Während der US-Wahlkampf auf die heiße Phase zusteuert, verstrickt sich die Stadt in Nevada in einem Netz aus Verschwörungstheorien. Jeder misstraut jedem. Plötzlich verliert Cari-Ann Burgess ihr Team und wird zwangsbeurlaubt.

An einem Morgen im vergangenen Monat tat die Amerikanerin Cari-Ann Burgess das, was viele Menschen tun: Sie machte auf ihrem Weg zur Arbeit kurz in einem Coffee-Shop Halt. Aber für die Wahlleiterin in einem nördlichen Bezirk in Nevada wurde dieser Stopp zu einer schlechten Erfahrung. Als sie auf ihren Tee und ihr Frühstückssandwich wartete, wurde sie von einer älteren Frau angesprochen. "Sie sagte mir, dass ich mich schämen sollte - dass ich eine Schande sei. Ich bin eine Schande für Washoe County und ich sollte in ein Loch kriechen und sterben", schilderte Burgess einen Tag später den Vorfall.

Es war Schluss für sie mit den morgendlichen Stopps in der Kaffeestube, sie landeten auf einer zusehends längeren Liste von Dingen, die sich Burgess nicht mehr erlaubte - wegen ihres Jobs. Sie hatte schon damit aufgehört, in den Lebensmittelladen zu gehen oder in Restaurants. "Ich gehe zur Arbeit, ich gehe nach Hause, und ich gehe in die Kirche - das ist es ungefähr", sagte sie. Dennoch, so fügte Burgess hinzu, freue sie sich darauf, zusammen mit ihrem Team im November die Präsidentschaftswahlen in dem zweitbevölkerungsreichsten Bezirk Nevadas zu beaufsichtigen. Aber auch das kam im späten September zu einem jähen Ende, als sie zu einem Treffen mit Behördenvertretern des Bezirks gerufen wurde.

Der gesamte Mitarbeiterstab ist neu

Der Bezirk teilte anschließend mit, sie habe um eine Beurlaubung aus gesundheitlichen Gründen gebeten, um mit ihrem Stress fertig zu werden, und er bezeichnete ihren Abgang als eine persönliche Angelegenheit. Man konzentriere sich darauf, "eine reibungslose und faire Wahl durchzuführen". Burgess sagt dagegen, sie sei zum Ausscheiden gezwungen worden, nachdem sie sich geweigert habe, von Washoe Countys Bezirksverwaltung gewünschten personellen Veränderungen nachzukommen. Sie habe wiederholt darum gebeten, bleiben zu können und sogar eine ärztliche Gesundheitsbescheinigung vorgelegt. Mittlerweile hat sie sich einen Anwalt genommen.

Das Büro wird derzeit von Burgess' Stellvertreter geleitet - die fünfte Person innerhalb von vier Jahren auf diesem Posten. Der gesamte Mitarbeiterstab ist neu im Vergleich zu 2020. Diese Personalwechsel sind symptomatisch für einen Bezirk, der politisch in fast zwei gleich große Teile gespalten und massenhaft mit Verschwörungstheorien konfrontiert ist, seit der Republikaner Donald Trump bei der Wahl 2020 in diesem Bundesstaat - und insgesamt - gegen den Demokraten Joe Biden verlor.

"Plötzlich bin ich raus"

Burgess erzählte vergangene Woche, dass sie sich Sorgen um ihr Team mache und nicht wisse, was sie als Nächstes tun sollte. "Ich habe 110 Prozent von dem, was ich bin, in diesen Job gesteckt", schilderte sie. "Und dann bin ich plötzlich raus ... ich verstehe nicht, wie wir an diesen Punkt gelangt sind."

AP-Journalisten hatten sich im September - eine Woche vor Burgess' Ausscheiden - in Reno aufgehalten und mehrere Tage mit ihr verbracht, im Bezirkswahlbüro und daheim. Wie sie miterleben konnten, standen Burgess und ihre Mitarbeiter - wie schon ihre Vorgänger - unter enormem Druck, waren ätzender Kritik bei öffentlichen Versammlungen ausgesetzt und mussten immer wieder durch Verschwörungstheorien genährten falschen Behauptungen entgegentreten, sei es in Sachen Wahlautomaten, Wählerlisten oder Wahlzettel-Einwurfkästen. Und es mit einer Bezirksregierung zu tun zu haben, die den Wahlabläufen misstraut, machte den Job noch schwieriger.

Burgess ist keineswegs ein Einzelfall, wenn auch ihre Erfahrungen vielleicht besonders extrem sind. Vier Jahre mit falschen Behauptungen haben das öffentliche Vertrauen in Wahlen untergraben - und in jene, die sie abwickeln, In allen Teilen der USA haben Wahlhelfer und Wahlvorsteher von Belästigungen und sogar Todesdrohungen berichtet und in diesem Jahr besondere Schutzmaßnahmen wie kugelsicheres Glas und Panikknöpfe ergriffen.

Bereits 2020 von Trump-Anhängern gemobbt

In den drei Tagen, die AP mit Burgess verbrachte, gab es keinerlei Hinweise auf etwaige Pläne, den Job aufzugeben. Vielmehr sagte sie, dass sie dankbar für die Gelegenheit sei, ihrem Land wieder auf diese Weise zu dienen. Das "Wieder" bezieht sich darauf, dass sie zuvor einen Wahljob in einem Bezirk in Minnesota hatte und dann ausstieg, nachdem sie nach der Wahl 2020 von wütenden Trump-Anhängern gemobbt worden war. Insgesamt gibt es viele örtliche Wahlbeamte, die angesichts von Belästigungen und Stress erschöpft ihren Job gänzlich an den Nagel gehängt haben.

Burgess wechselte nach Washoe County, hatte dort ihr Büro vor dem Verlassen mit US-Flaggen, einer Kopie der Verfassung und Sternen in den Nationalfarben Rot, Weiß und Blau dekoriert. Aber sie fand schnell heraus, dass sie es mit einem Bezirk zu tun hatte, der im Sumpf von Verschwörungstheorien steckte und stetig Anfeindungen brachte. In einem Wahlbüro zu arbeiten bedeute, an der Frontlinie der Demokratie tätig zu sein, sagt sie. Aber die Art, wie dieser Landkreis gespalten sei, vermittele das Gefühl, an einer Kampffront eingesetzt zu sein, "denn jeden Tag kämpfst du gegen irgendeine Fehlinformation".

Ein paar Tage vor ihrem Ausscheiden hatte Burgess eigens einen Berater angeheuert, der ihren Mitarbeitern bei der Stressbewältigung helfen sollte. Noch unerledigt auf ihrer To-do-Liste waren Sicherheitsverbesserungen am Büro. Empfohlen wurde unter anderem, die Fensterscheiben mit einer Folie zu versehen, die Kugeln zwar nicht stoppen, aber verlangsamen kann. Das habe ihr vor Augen geführt, "dass ich einen viel gefährlicheren Job habe, als ich wirklich erwartet hatte", sagt Burgess. "So sollte es nie und nimmer sein."

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