Thema bei Caren Miosga ist die irreguläre Migration und was ihr entgegengesetzt werden kann. Wenn allerdings Hendrik Wüst schonmal da ist, geht es auch um die K-Frage. Und zwei Gäste aus dem Publikum verfolgen mit einer Störaktion ihre eigene Agenda.
Eigentlich soll es in der ARD-Talkshow Caren Miosga um die Migrationskrise gehen. Doch plötzlich springen zwei Frauen im Publikum auf, skandieren etwas, das man zunächst nicht verstehen kann, halten ein Stofftransparent hoch. Darauf zwei Namen: Gulistan Tara und Hero Bahadin. Dabei handelt es sich um zwei kurdische Journalistinnen, die am 23. August bei einem mutmaßlichen türkischen Drohnenangriff im nordirakischen Kurdengebiet zusammen mit sechs weiteren Menschen getötet wurden.
Miosga fordert die beiden Frauen auf, ihre Forderungen zu äußern. Eine ruft: "Wir fordern, dass die deutsche Medienlandschaft das Schweigen bricht. Wir fordern, dass immer dann, wenn ein Journalist stirbt, sich jeder Journalist verantwortlich fühlt." Sicherheitskräfte greifen ein, fordern die beiden Frauen auf, das Studio zu verlassen. Der Aufforderung folgen sie friedlich. Caren Miosga meistert die Störung ihrer Talkshow mit Bravour, zeigt keine Anspannung, bleibt ruhig, wirkt äußerst professionell.
Wer wird Kanzlerkandidat der Union?
Und noch etwas unterbricht den Talk über irreguläre Migration, der eigentlich angekündigt ist: Moderatorin Caren Miosga. Nachdem sie ihren Studiogast, den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst von der CDU, über die mögliche Reaktion von Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel auf die Neuausrichtung der Union in der Migrationspolitik ausführlich befragt hat, kommt sie auf die K-Frage zu sprechen. Die "Bild am Sonntag" hatte zuvor berichtet, dass sich CDU-Chef Friedrich Merz auf seine Kanzlerkandidatur vorbereite.
Dreimal wiederholt Miosga die Frage, ob das denn so stimme, dreimal weicht ihr Wüst geschickt aus: "Wir sind in intensiven Gesprächen, und ich habe eine große Verantwortung eines großen Landesverbandes der CDU, dass wir gemeinsam in der Lage sind, den Menschen eine bessere Regierung zu stellen, die sie auch verdient haben." Wer Unionskanzlerkandidat werden soll, sagt er nicht. Aber er macht im Lauf des Interviews klar: Er, Wüst, wird es nicht. Er sei ja auch erst 49, sagt Miosga, und 2029 seien wieder Bundestagswahlen.
Aber wie es denn mit dem bayerischen Ministerpräsidenten wäre, will sie wissen. Markus Söder habe ja immerhin in den letzten Wochen dreimal durchblicken lassen, auch er könne sich gut vorstellen, Deutschland zu regieren. "Ich glaube, dass Söder ganz klar Ministerpräsident ist und einer der stärksten Unionspolitiker, die wir haben. Und insofern ist es doch ein großes Geschenk, dass es mehrere Leute gibt, das ist doch ein großes Glück für die Union." Nun werde die CDU zunächst interne Gespräche führen, dann werde man mit der CSU reden, und schließlich ein Ergebnis verkünden. "Meine Sorge, dass es so wie 2021 wird, ist ganz überschaubar", antwortet Wüst auf weiteres Bohren der Moderatorin.
Die CDU und die irreguläre Migration
Jetzt aber zur Migration. Denn am heutigen Montag starten an allen Grenzen Kontrollen, um die irreguläre Migration zu begrenzen. Das hat die Bundesregierung beschlossen. Aber die CDU geht noch einen Schritt weiter. Sie will Geflüchtete an den Grenzen pauschal zurückweisen, auch, wenn diese Menschen einen Asylantrag stellen wollen.
Es sei richtig gewesen, dass Deutschland seit 2015 viele geflüchtete Menschen aufgenommen habe, sagt Wüst. Dennoch sei auch die Aussage von Bundespräsident Steinmeier richtig gewesen, dass man die Gutwilligen nicht überfordern dürfe. "Es geht darum, dass Menschen, die schon irgendwo anders in Sicherheit sind, dann nicht mehr nach Deutschland kommen brauchen. Das ist die ganze Diskussion, die ja auch für ein wenig Emotionen gesorgt hat in den letzten Jahren." Man habe schon viel gegen die irreguläre Migration unternommen, sagt Wüst. "Aber eins ist klar: Es hat nicht gereicht. Und deswegen sind wir leider auch als Vertreter der Kommunen, die die Hauptlast tragen, seit anderthalb oder zwei Jahren in sehr intensivem Austausch mit der Bundesregierung. Allein: So richtig geholfen hat es nicht."
Die Union suche nach einem Kompromiss, sagt Wüst. Und er ist sicher: Opposition und Bundesregierung können das hinbekommen. Aber: "Wenn wir jetzt als Union gemeinsam mit der Ampelkoalition Beschlüsse fassen, dann muss das sitzen." Dabei gebe es nicht die eine richtige Lösung, man müsse über ein Maßnahmenpaket reden. "Ich werbe für den Kompromiss. Die Ampel ist bereit, zu reden, die Opposition auch", sagt Wüst.
Für den Migrationsexperten Gerald Knaus ist klar: Regierung und Opposition seien sich in der Sache einig, die irreguläre Migration stoppen zu wollen. Strittig sei die Frage, wie das funktionieren solle. Und da kritisiert Knaus die Vorschläge von Regierung und Opposition gleichermaßen. "Untauglich" nennt er sie. "Irreguläre Migration stoppen an der deutschen Grenze - das wird nicht funktionieren, weil das immer auf Kosten der Nachbarn geht." Die Spannungen innerhalb der EU würden sich erhöhen. Nur dann, wenn die Nachbarn auch mitmachen würden, könnte es einen Erfolg geben. Doch die haben sich zum Teil schon geweigert. Vor allem die Vorschläge der Union könnten laut Knaus im Ernstfall zum Ende des Schengener Abkommens führen, das den freien Zugang zu den Ländern der EU ohne Grenzkontrollen regelt.
Experte: "Das hilft der Mitte nicht"
Knaus sieht jedoch Möglichkeiten, irreguläre Migration zu begrenzen - dass sie völlig gestoppt wird, schließt er aus. Er fordert, dass Asylanträge geflüchteter Menschen schon an der EU-Außengrenze bearbeitet werden. Das sehen die Migrationsgesetze der EU vor. "Beide Vorschläge, der Regierung und der Opposition, werden die Erwartungen nicht erfüllen. Und das ist gefährlich, denn wenn man viel über das Thema redet und Vorschläge macht, die nicht funktionieren, hilft das der Mitte nicht", so Knaus.
Auch Wüst setzt auf Kontrollen an der EU-Außengrenze zur Reduzierung irregulärer Migration. Und er sagt: "Meine Landesregierung hat sich jetzt dafür ausgesprochen, alle Asylverfahren, nicht nur die mit geringer Bleibeperspektive, an der europäischen Außengrenze zu machen."
Und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident spricht sich für einen weiteren Vorschlag aus, den Gerald Knaus schon seit einiger Zeit äußert: die Drittstaatenlösung. Danach sollen Asylanträge in Ländern außerhalb der EU geprüft werden. Das Verfahren haben laut Wüst die Ministerpräsidenten parteiübergreifend mit dem Kanzler beschlossen. Dann habe man festgestellt: Es sei kompliziert und koste Geld. "Natürlich ist das kompliziert", gibt Wüst zu. "Aber wenn wir in einer solchen Zeit leben und das Thema ein Großes bleibt, dann sollten wir genau an solchen Lösungen arbeiten. Wir können noch viele andere Dinge machen, aber das wäre eine langfristige Lösung."