Die USA setzen sich mit aller Macht für eine Waffenruhe im Gaza-Krieg und eine Beruhigung der brandgefährlichen Lage in Nahost ein. Doch der Weg dahin bleibt mühsam und voller Hindernisse.
Die Bemühungen um eine Waffenruhe im Gaza-Krieg könnten nach Worten von US-Außenminister Antony Blinken die letzte Chance für eine Freilassung der Geiseln in der Gewalt der Hamas sein. Der Diplomat ist zum neunten Mal seit Beginn des Gaza-Kriegs vor mehr als zehn Monaten in Israel, um sich für eine Einigung zur Freilassung der Geiseln im Gegenzug für die Freilassung palästinensischer Häftlinge einzusetzen. Die Bemühungen wurden überschattet von einem versuchten palästinensischen Terroranschlag in Tel Aviv sowie von Drohungen, neue Selbstmordanschläge in Israel zu verüben.
Entscheidender Moment bei Waffenruhe-Gesprächen
Bei einem Treffen mit dem israelischen Staatspräsidenten Izchak Herzog in Tel Aviv sagte Blinken: "Dies ist ein entscheidender Moment, wahrscheinlich der beste, vielleicht die letzte Gelegenheit, die Geiseln nach Hause zu bringen, eine Waffenruhe zu erzielen und alle auf einen besseren Weg zu dauerhaftem Frieden und Sicherheit zu bringen."
Anschließend traf Blinken in Jerusalem mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zusammen. Blinken dürfte versuchen, Netanjahu zu mehr Flexibilität bei den Verhandlungen über eine Waffenruhe zu bewegen. Kritiker werfen Netanjahu vor, er blockiere eine Einigung, weil er bei Zugeständnissen an die Hamas das Scheitern seiner Regierungskoalition fürchten müsse. Doch auch die Hamas lehnt den aktuellen Verhandlungsstand ab.
USA wollen weitere Eskalation in Nahost stoppen
Zu den internationalen Bemühungen um eine Einigung bei den indirekten Gesprächen zwischen Israel und der islamistischen Terrororganisation Hamas sagte Blinken: "Es ist Zeit, es zum Abschluss zu bringen." Man müsse sicherstellen, dass "niemand Schritte unternimmt, die diesen Prozess torpedieren könnten". Blinken sagte: "Wir wollen sicherstellen, dass es keine Eskalation gibt, dass es keine Provokationen gibt."
Es müsse verhindert werden, "dass der Konflikt in andere Regionen eskaliert und noch intensiver wird", sagte Blinken. Man sei besorgt über mögliche Angriffe auf Israel aus dem Iran, vonseiten der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah und von anderen. Daher unternehme US-Präsident Joe Biden entschlossene Schritte wie die Verlegung von Truppen in die Region, um jegliche Angriffe zu verhindern "und wenn nötig gegen jegliche Angriffe zu verteidigen".
Nach der Tötung zweier hochrangiger Feinde Israels in Teheran und Beirut vor knapp drei Wochen hatten der Iran und die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah massive Vergeltungsschläge angedroht.
Herzog: Wollen Geiseln schnell daheim sehen
Präsident Herzog warf der Hamas vor, sie trage durch eine Verweigerungshaltung die Hauptverantwortung für den bisherigen Misserfolg der Gespräche unter Vermittlung der USA, Ägyptens und Katars in den letzten Monaten. "Wir sind immer noch sehr hoffnungsvoll, dass wir in den Verhandlungen voranschreiten können", sagte Herzog gleichzeitig. Man wolle die Geiseln "so schnell wie möglich daheim sehen".
Die Hamas hat nach israelischer Zählung noch 115 Geiseln in ihrer Gewalt, von denen Israel 41 für tot erklärt hat. Überdies dürften weitere Geiseln, deren Schicksal unbekannt ist, nicht mehr leben.
Blinken bleibt bis Dienstag in der Region und wollte von Israel nach Ägypten weiterreisen. In Kairo sollten in dieser Woche Gespräche von Unterhändlern zu speziellen Fragen stattfinden. Bis Sonntag war dann erneut ein übergreifendes Spitzentreffen vorgesehen.
Als besonders umstritten in den Verhandlungen gilt unter anderem die Frage, ob Israel sich wieder von der im Mai eroberten Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten zurückziehen wird. Die Hamas fordert einen kompletten Abzug Israels. Netanjahu dagegen verlangt, dass die israelische Armee den sogenannten Philadelphi-Korridor auch nach einer Waffenruhe weiter kontrolliert, etwa um den Schmuggel von Waffen zu verhindern.
Tödliche Explosion in Tel Aviv
Einen versuchten Terroranschlag in Tel Aviv reklamierten derweil die palästinensischen Terrororganisationen Hamas und Islamischer Dschihad für sich. Im Rucksack eines Mannes war am Sonntagabend in der Küstenmetropole ein Sprengsatz explodiert, als dieser auf einer Straße im Süden der Stadt unterwegs war. Dabei wurden der mutmaßliche Attentäter getötet und ein E-Scooterfahrer verletzt. Die Zeitung "Haaretz" schrieb, die Polizei gehe davon aus, dass das Anschlagsziel eine nahegelegene Synagoge gewesen sei.
"Es kann jetzt bestätigt werden, dass es ein Terroranschlag war, bei dem ein mächtiger Sprengsatz explodierte", hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung der Polizei und des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet. Die Sicherheitskräfte im Großraum Tel Aviv seien daraufhin in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden. "Wir rufen die Bürger dazu auf, wachsam zu bleiben und jede verdächtige Person oder jedes Objekt der Polizei zu melden."
Drohung mit neuer Terrorwelle in Israel
Die militärischen Flügel von Hamas und Dschihad drohten in einer gemeinsamen Erklärung, sie würden wieder verstärkt auf solche Anschläge in Israel setzen, "solange die Massaker durch die Besatzungsmacht sowie die Vertreibung von Zivilisten und die Politik der Attentate weitergehen".
Der öffentlich-rechtliche Kan-Sender berichtete, man gehe davon aus, dass es sich bei dem Attentäter um einen Palästinenser aus Nablus im Westjordanland handelte. Nach palästinensischen Angaben drangen israelische Truppen in die Stadt vor.
Herzog sagte bei dem Treffen mit Blinken, es sei in Tel Aviv offenbar ein schwerer Terroranschlag verhindert worden. In der Küstenstadt am östlichen Mittelmeerrand war es in der Vergangenheit immer wieder zu tödlichen Anschlägen von Palästinensern gekommen.
Ein Polizeisprecher sagte dem israelischen Armeesender, hätte sich die Explosion nur wenige Meter weiter ereignet, "wären wir mit einer riesigen Katastrophe aufgewacht".