Ab 2025 müssen deutsche Unternehmen und Selbstständige elektronische Rechnungen empfangen können. Warum Papier und PDF bald ausgedient haben, erklärt KPMG-Expertin Nancy Schanda.
Capital: Frau Schanda, ab 2025 kommt die elektronische Rechnung. Gibt es die Quittung im Supermarkt oder im Café dann per Mail oder zum Scannen als QR-Code?
NANCY SCHANDA: Nein, leider nicht. Die E-Rechnung gilt nur für den B2B-Bereich, also nur zwischen steuerrechtlichen Unternehmen. Diese müssen dafür sorgen, dass sie ab 2025 elektronische Rechnungen empfangen können. Wer im Supermarkt einkauft, macht das als Privatperson und ist von der neuen Regelung nicht betroffen.
Gibt es schon Unternehmen, die elektronische Rechnungen verschicken?
Einige machen das bereits, aber vorgeschrieben ist der Versand einer Rechnung im elektronischen Format noch nicht. Das kommt erst 2027 auf deutsche Unternehmen zu. Etwas Aufschub bekommen Betriebe, die weniger als 800.000 Euro Jahresumsatz machen. Sie können noch bis 2028 Rechnungen auf herkömmlichen Weg ausstellen. Umgekehrt heißt das, dass Unternehmer auch noch bis dahin Rechnungen im herkömmlichen Format annehmen dürfen.
Wozu wird die Empfangsbereitschaft für E-Rechnungen überhaupt Pflicht?
Bislang fehlen den Finanzämtern detailliertere Informationen zu einzelnen Transaktionen eines Unternehmens. Sie erhalten nur am Ende eines Monats oder Quartals eine Umsatzsteuervoranmeldung, in der die Umsatzsumme gemeldet wird. Die Empfangsbereitschaft für E-Rechnungen, die nächstes Jahr in Kraft tritt, soll den Umsatzsteuerprozess weiter digitalisieren und ist der erste Schritt zu einem Echtzeit-Reporting. Das soll mehr Transparenz für die Steuerbehörde schaffen. Davon profitieren auch die Steuerpflichtigen: Wenn Rechnungen und Umsätze irgendwann automatisiert elektronisch ans Finanzamt gehen, entfällt die zusätzliche Deklaration per Steuererklärung.
Was ist mit sogenannten Kleinunternehmer, die von der Umsatzsteuer befreit sind?
Sofern sie auch nicht zur Umsatzsteuer optiert haben, erübrigt sich das Thema E-Rechnung für sie.
Gelten Unternehmen als empfangsbereit, wenn sie Rechnungen als PDF erhalten können?
Nein, ein PDF ist aus technischer Perspektive unstrukturiert. Künftig gelten nur noch solche Rechnungen als elektronisch, die in einem strukturierten, also maschinenlesbaren Format ausgestellt sind und dabei die EU-Norm EN 16931 erfüllen. Hierbei handelt es sich um ein XML-Format, bei dem der Datensatz in einer Art besonderer Auszeichnungssprache verfasst ist. Der Empfänger muss sie erst in ein menschenlesbares Format umwandeln, um sie weiterverarbeiten zu können. Ohne diesen Schritt geht es oftmals nicht, schließlich muss das Dokument geprüft und gebucht werden.
Wie gut sind deutsche Unternehmen darauf schon vorbereitet?
Die meisten können ihre bestehende IT-Lösung mit überschaubarem Aufwand an die neuen Anforderungen anpassen. Vor allem große Firmen arbeiten schon mit einem elektronischen Rechnungsempfang und elektronischer Verarbeitung. Denn Unternehmen können mit elektronischen Rechnungen Effizienzgewinne erzielen. Wenn Daten in strukturierter Form vorliegen, lassen sie sich leichter verarbeiten als etwa bei einem langwierigen Papier-Prozess.
Wie schätzen Sie den Aufwand für Unternehmen ein, die noch nicht so weit sind?
Haben Unternehmen schon eine Scansoftware im Einsatz, dann ist der Umstellungsaufwand für die Empfangsbereitschaft, also für die Eingangsseite, gering. Die meisten Buchhaltungssoftwares können bereits eine XML-Datei wieder in ein lesbares Format konvertieren. Umstellungen auf der Ausgangsseite einer Rechnung sind dagegen aufwendiger. Dafür bleibt Unternehmen bis 2027 Zeit. In den darauffolgenden Jahren dürfte der Implementierungsaufwand allerdings exponentiell wachsen. Bislang reden wir ja nur über die elektronische Rechnungsstellung. Das digitale Reporting, also die Übermittlung dieser elektronischen Rechnungsdaten an die Finanzverwaltung, ist dann der nächste sinnvolle Schritt. Leider erfordert aber jede neue Vorgabe, bestehende Prozesse erneut anzufassen.
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Welche Konsequenzen müssen Unternehmen fürchten, die Anfang nächsten Jahres noch nicht bereit sind, E-Rechnungen zu empfangen?
Ein spezifisches Bußgeld ist gesetzlich nicht vorgesehen. Es kann aber zu Reputationsschäden kommen und Probleme mit Geschäftspartnern geben. Viele Lieferanten haben ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen dahingehend angepasst, dass Kunden bei Vertragsabschluss garantieren, E-Rechnung annehmen zu können. Wer das dann nicht einhalten kann, macht sich zivilrechtlich schadensersatzpflichtig. Nach Ablauf der Übergangsfrist bis 2027 versagt die Finanzverwaltung möglicherweise dann den Vorsteuerabzug aus Rechnungen, die dem elektronischen Format nicht entsprechen.
Gelten E-Rechnungen auch in anderen Ländern?
Es gibt weltweit jeweils nationale Vorgaben für E-Rechnungen. Innerhalb der EU werden sich beim Format alle an die EU-Norm halten, trotzdem wird es in jedem Land die eine oder andere Besonderheit geben. Zum Beispiel wollen die Italiener, dass in der Rechnung alles in italienischer Landessprache dokumentiert wird. Deutsche Unternehmer, die dort tätig sind, müssen sich also darauf vorbereiten, auch solche Rechnungen empfangen und verstehen zu können. Ich rate, sich erst mal einen Überblick zu verschaffen. Unternehmerinnen und Unternehmer sollten schauen, in welchen EU-Mitgliedstaaten und anderen Ländern auf der Welt sie tätig sind und wo sie welche Verpflichtungen haben. Sich überhastet technisch an irgendwelche Softwareprovider zu binden, halte ich für den falschen Weg.