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Die deutsche Industrie steckt in der Zwickmühle



Stand: 27.01.2025 15:12 Uhr

Die Börsen im Höhenflug, die Wirtschaft im Tal: Die künftige Regierung wird viel zu tun haben. Doch auch auf die deutsche Wirtschaft kommt einiges zu. Muss sich Deutschland neu erfinden?

Von Volker Hirth, ARD-Finanzredaktion

Der ifo-Geschäftsklimaindex dümpelt. Mal bewegt er sich ein bisschen nach unten, dann wieder ein bisschen nach oben, aber so richtig von der Stelle kommt er nicht. Er ist weit von seinen 100 Punkten entfernt, auf denen er regelmäßig zwischen den Jahren 2010 und 2019 taxiert wurde.

Diesmal sind es wieder so um die 85 Punkte - die aktuelle Lage ist ein wenig besser, die Aussichten sind dafür schlechter. Ein Ausreißer nach oben ist nicht in Sicht. Dafür tue sich aber auch zu wenig in der deutschen Wirtschaft, sagt Moritz Kraemer von Landesbank Baden-Württemberg. Es fehle vor allem an Investitionen.

"Wir haben einen riesigen Investitionsstau an Infrastruktur, und das muss behoben werden. Das ist aber ein Projekt, das mehr als eine Legislaturperiode brauchen wird, weil sich diese Infrastruktur-Lücke während der letzten 20 Jahre aufgetan hat. Das können wir jetzt nicht auf die Schnelle korrigieren", so Kraemer.

"Moll-Töne im Maschinenbau"

Dabei gehe es nicht nur um Straßenbau, die Bahn, Schulen oder Kindergärten, so Marktanalyst Andreas Lipkow. Er sieht extremen Nachholbedarf bei der Digitalisierung. Das sei ein ganz wesentlicher Punkt: "Da gibt es nach wie vor Unternehmen - das kann man sich nicht vorstellen! Die arbeiten noch mit Fax", beschreibt Lipkow die Lage.

Ein weiteres Problem sei die internationale Konjunktur, vor allem in China. "Wenn die nicht läuft, und wenn auch die in den USA stagniert, dann ist auch der deutsche Maschinenbau stagnierend unterwegs. Das heißt, es gibt kein Wachstum und entsprechend natürlich auch entsprechende Moll-Töne im Maschinenbau."

Neue Zeiten, andere Ansprüche

Der Maschinenbau, ein Herzstück der deutschen Industrie im vergangenen Jahrhundert. Als auch Autos aus Deutschland ihre große Zeit hatten, als sie das Bild auf den Straßen in China geprägt haben. Das sei vorbei, auch weil sich die Ansprüche geändert hätten, so Lipkow.

"Die deutschen Autofirmen sind vor allem bei der Software, die in den Autos verbaut wird, absolut ins Hintertreffen geraten. Man hat hier einfach versäumt, den Anschluss zu behalten." Das falle momentan den Unternehmen aus diesem Sektor auf die Füße und strahle auch auf andere Sektoren wie Chemie und Maschinenbau aus - "also auf die Schlüsselindustrie in Deutschland", sagt Lipkow.

Abwandern oder hier bleiben?

Für die nahe Zukunft sieht Moritz Kraemer von der LBBW kein Licht am Ende des Tunnels. Solange es Deutschland nicht schaffe, die Energiewende erfolgreich zu vollenden und auf den Import fossiler Energieträger angewiesen bleibe, werde es vor allem die energieintensive Industrie schwer haben, konkurrenzfähig zu bleiben.

"Wir werden nicht mit den Energiepreisen in Ländern wie den USA oder Skandinavien konkurrieren können. Daher können wir nicht einfach so weitermachen. Das ist kein Erfolgsrezept. Wir müssen uns anpassen an die Welt, die sich um uns herum verändert", sagt Kraemer.

Was zur Folge haben wird, dass deutsche Unternehmen mehr als ohnehin schon dorthin gehen, wo es genau diese kostengünstigere Energie gibt - zum Beispiel in die USA. Das ist ganz im Sinne der neuen US-Administration. Das bedeutet aber auch, dass deutsches Geld verstärkt ins Ausland geht; Geld das dann wiederum für die dringenden Investitionen hierzulande fehlt. Die deutsche Industrie steckt in der Zwickmühle.

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