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Die deutsche Industrie - ein Auslaufmodell?



hintergrund

Stand: 02.01.2025 03:47 Uhr

Auf die deutsche Industrie war jahrzehntelang Verlass. Doch der Motor der Wirtschaft stottert. Manche warnen gar von einer "Deindustrialisierung". Welche Perspektiven hat der Standort?

Sebastian Schreiber

Wo schlägt das Herz der deutschen Wirtschaft? Viele würden antworten: wo Maschinen und Autos gebaut werden oder chemische Produkte entstehen. Ohne die Industrie fiele etwa ein Viertel der Wirtschaftsleistung in Deutschland weg. Der Motor der Industrie aber stottert.

Vor allem exportorientierte Unternehmen bekommen das zu spüren. In vielen Industriezweigen sind in den vergangenen Monaten Aufträge weggebrochen. Was sind die Gründe? Martin Lück, Chefvolkswirt beim Vermögensverwalter Blackrock, verweist auf die hohen Zinsen: "Das heißt, die Kredite werden teurer, die Unternehmen können schlechter Investitionsprojekte finanzieren, und dann bestellen sie eben weniger Waren - vor allem auch in Deutschland."

Umbruch in der Mobilität nützt China

Besonders hart trifft es den Maschinen- und Anlagenbau. Der Branchenverband VDMA rechnet auch im kommenden Jahr damit, dass es weniger Aufträge geben wird. Auch die Autoindustrie hat zu kämpfen. Die deutschen Konzerne - so sieht das mancher Analyst - könnten den Anschluss verlieren.

"Ich glaube, ein Stück weit ist Ernüchterung eingetreten, gerade mit Blick auf die Elektromobilität - mit den Szenarien, dass die chinesischen Hersteller sich in der westlichen Welt festsetzen und sicherlich große Marktanteile gewinnen werden", sagt Frank Schwope, Autoexperte und Lehrbeauftragter der Fachhochschule des Mittelstandes Hannover. "Der Verbrennungsmotor ist ja, wie wir wissen, ein Auslaufmodell - oder wie es gewünscht ist von der EU - zumindest für Europa. Und dementsprechend sind wir ein einer Transformation oder letzten Endes in einer Disruption, weg vom Verbrennungsmotor hin zum Elektromotor, der den Chinesen natürlich einen leichten Eintritt ermöglicht."

Vergleichsweise teurer Strom

Im internationalen Wettbewerb geht es also um Technologien - aber auch um den Produktionsstandort. Der Fachkräftemangel, die Hürden der Bürokratie, aber vor allem auch die vergleichsweise hohen Preise für Energie stellen die Unternehmen vor Probleme. Die Preise für Strom etwa sind weitaus höher als in anderen Industriestaaten, etwa den USA. Die Politik will vor allem Erneuerbare Energien möglichst schnell ausbauen. Aber viele bemängeln, dass es nicht schnell genug gehe.

In der Wirtschaft wird diskutiert, ob die von der Politik forcierte Transformation auch bedeutet, dass die deutsche Industrie zwangsläufig weniger Gewicht hat - und andere Branchen, etwa der Dienstleistungssektor, an Bedeutung zulegen. Kann sich die deutsche Wirtschaft das leisten?

Kann Deutschland auch mit weniger Industrie?

Clemens Fuest, der Chef des Münchner ifo-Instituts, erinnert in einem Vortrag seines Instituts daran, dass Deutschland seinen wirtschaftlichen Erfolg vor allem der Industrie verdanke: "Insofern ist es schon ein Risiko, das aufzugeben und zu sagen, macht mal was anderes. Das setzt nämlich voraus, dass man das auch kann. Bislang konnten wir es nicht."

Der hohe Industrieanteil Deutschlands sei im internationalen Vergleich "ein Ausreißer", so Fuest. Aber bislang sei es den Deutschen damit gut gegangen. "Insofern würde ich sagen, es gibt andere Wege. Aber einfach die Industrie abwandern zu lassen, da muss man schon vorsichtig sein in einem Land, dessen Wohlstand bislang auf Industrie beruhte."

Die Stärke der deutschen Industrie liege vor allem in der Innovationskraft, ergänzt der ifo-Chef. Starke Produkte, Technologien, neue Patente - das könnte ein Schlüssel sein, wenn es darum geht, die Industrie in die Zukunft zu führen und Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern. Die deutsche Wirtschaft jedenfalls kann auf den Motor der Industrie auf absehbare Zeit wohl kaum verzichten.

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