Mit der Netflix-Serie "Die Kaiserin" begeistern Devrim Lingnau und Philip Froissant weltweit. In einer zweiten Staffel wird das Schicksal von Kaiser Franz und seiner Sissi nun weitererzählt. GALA sprach mit den beiden Protagonist:innen über alte Werte, diverse Frauenbilder und die Möglichkeit der großen Liebe.
Als nahbarer Kaiser Franz und freisinnige Sissi alias Kaiserin Elisabeth eroberten Philip Froissant, 30, und Devrim Lingnau, 26, 2023 die Herzen der Zuschauenden. Der Netflix-Hit "Die Kaiserin" wurde mit dem International Emmy Award als beste Drama-Serie ausgezeichnet. Kein Wunder also, dass das Historienepos um eine weitere Staffel verlängert wurde.
"Die Kaiserin"-Stars Philip Froissant und Devrim Lingnau über Kaiser Franz und Sissi
Als GALA Devrim Lingnau und Philip Froissant zum Gespräch trifft, ist außer ihren Gesichtszügen kaum Ähnlichkeit zu ihren Serien-Figuren zu erkennen. Keine Spur der Gestik und Mimik des Kaiserpaars, Franz' charakteristischen Schnauzbarts, Sissis langer Mähne. Die aufwendigen Kostüme sind legerer Kleidung gewichen. Doch man merkt, dass Devrim und Philip ihre Rollen ans Herz gewachsen sind.
Wie war es für Sie, ans Set zurückzukehren und das Team wiederzusehen?
Philip Froissant: Mega schön. Wir haben wie in der ersten Staffel mit einem Coach zusammengearbeitet, Giles Foreman, und hatten einen Workshop. Da kamen wir alle wieder zusammen in einem Probenraum in Berlin. Er arbeitet viel über Körper und Bewegung. Dann tanzt man wild und macht Improvisation. Das war einfach schön, in dem Raum mit den ganzen Pappnasen zu stehen und sich einen abzuzappeln und wieder in die Rollen hineinzufinden. (lacht)
Wie intensiv haben Sie sich vorab mit der Zeit und den Figuren beschäftigt?
Devrim Lingnau: Für Elisabeth habe ich mich größtenteils auf ihre Zeichnungen und Gedichte bezogen, weil die für mich am aussagekräftigsten waren. Ich habe mich weniger mit dieser öffentlichen Figur auseinandergesetzt, mehr mit ihren Tagebucheinträgen und Briefen, die sie an ihre Kinder geschrieben hat. Sie war wahnsinnig kreativ.
Philip Froissant: Ich habe mich viel mit den politischen Aspekten beschäftigt, mit der geopolitischen Lage und dem Großmächte-Gefüge der damaligen Zeit. Es gab aber auch ein Kindertagebuch von Franz, das er bis 13 geschrieben hat. Das war für mich aufschlussreich, weil man Franz als Kind, noch bevor er diese Herrscherrolle hat, kennenlernt.
"Die Filme mit Romy Schneider haben ihre Daseinsberechtigung"
Die Geschichte wurde in der Vergangenheit schon häufiger erzählt. Was hat Sie an diesem Projekt gereizt und gab es Bedenken vor eventuellen Vergleichen?
Devrim Lingnau: Die Filme mit Romy Schneider haben absolut ihre Daseinsberechtigung, aber sie sind natürlich ein Produkt ihrer Zeit. Das war Nachkriegszeit in Deutschland, die Geschlechterrollen sind sehr klar zugewiesen gewesen. Insofern ist das keine Konkurrenz zu dem, was wir erzählen wollen, weil wir wiederum diesen Stoff nutzen, um ihn zum Beispiel mit Diskursthemen des 21. Jahrhunderts zu bestücken. Es ging sehr darum, diversere Frauenbilder zu erzählen. Zum Beispiel Erzherzogin Sophie, die nicht nur die böse Stiefmutter ist, sondern auch die politischen Fäden in der Hand hält. Sie wird nicht ausschließlich als Antagonistin dargestellt, sondern auch in ihrer Brüchigkeit. Sie wird als alternde Frau in einem zutiefst patriarchalen System gezeigt. Also im Prinzip immer noch aktuelle Themen, die da aufgegriffen werden.
Eleonore, Ferdinand + Gloria: So leben und lieben die jungen Habsburger
Könnten Sie sich vorstellen, in dieser Zeit zu leben?
Philip Froissant: Da würden wir beide sehr deutlich mit Nein antworten. (lacht) Eine Monarchie als System ist etwas, was natürlich extrem unzeitgemäß ist, und diese Privilegien und dieser verschwenderische Reichtum dieser Zeit. Während es den Leuten schlecht geht, wird der Kaiserfamilie der Hummer aufgetischt … Das hat sehr wenig mit meiner Weltanschauung zu tun.
Devrim Lingnau: Es zeigt natürlich eine gewisse Form von Perversität, die wir heute noch finden, die wir aber nicht unterstützen wollen. In diesem Ungleichgewicht befinden wir uns heute immer noch. Das sehen wir auch in der Serie und das gilt es natürlich kritisch zu hinterfragen.
Gibt es trotzdem Werte von damals, die Sie sich zurückwünschen würden?
Philip Froissant: Das Einzige, was ich der Zeit abgewinnen kann, ist, mit wie viel Respekt man miteinander umgegangen ist. Ich finde, die Gesprächskultur und die Sprache war gepflegter.
Devrim Lingnau: Eine gewisse sprachliche Eloquenz genieße ich auch. Elisabeth war großer Fan von Heinrich Heine, hat viel gelesen und selbst Gedichte geschrieben. Das Spiel mit Sprache muss gelernt sein. Ich habe das Gefühl, dass der Fokus darauf schwindet und dass das zu der Zeit wertvoller war.
Philip Froissant: Mir fällt noch eine Sache ein: Briefe schreiben. Ich glaube, es wäre schön, wenn man ein bisschen wegkommen würde von dieser unmittelbaren Kommunikation über WhatsApp und Konsorten, dieser ständigen Erreichbarkeit, und sich immer mal wieder Zeit nimmt für eine Konversation. Das gibt die Möglichkeit, sich wirklich Gedanken zu machen, was man sagen möchte, und zu strukturieren und auszudrücken und dadurch eine Sprache wieder zu pflegen.
Devrim Lingnau: Mal auf eine Antwort zu warten, das ist doch toll, oder? Dadurch, dass man auf einen Brief oder ein Telegramm warten muss, kann auch Sehnsucht entstehen und auch die Fantasie wachsen.
Philip Froissant: "Ich habe an die ukrainischen und russischen Männer an der Front gedacht"
Gab es Herausforderungen beim Dreh?
Philip Froissant: Die größte Herausforderung waren diesmal die emotionalen Szenen. Bei der ersten Staffel gab es den Walzer, Tanzen, die Fechtszene, es wurde mehr geritten. Das waren Sachen, wo man sich Skills aneignen musste, die eine Herausforderung dargestellt haben. In der zweiten Staffel war es, diese extremen Brüche glaubhaft darzustellen.
Devrim Lingnau: Für uns waren das emotional herausfordernde Szenen, aber das sind auch die großen Wendepunkte, wo nachher alles anders ist, weil das so einschneidende Erlebnisse im Leben sind. Zusätzlich haben wir nicht chronologisch gedreht. Das ist nicht so einfach, weil man dann in diesen verschiedenen Entwicklungsstadien des Charakters von Szene zu Szene wechseln muss.
Philip Froissant: Es gibt diese Szene, wenn Franz entscheidet, selbst an die Front zu gehen. Natürlich wird der Kaiser nicht an vorderster Front stehen und selbst kämpfen. Aber der Gedanke dahinter hat bei mir sehr viel ausgelöst, weil es gerade so aktuell ist. Ich habe an die ganzen jungen ukrainischen Männer gedacht, die ihr Land verteidigen, aber auch an die russischen Männer, die an die Front gezwungen werden. Alles zurücklassen zu müssen, die Familie, die Kinder, und in eine ungewisse Zukunft zu gehen – da war ich selbst sehr angefasst.
Was war Ihre Lieblingsszene in Staffel zwei?
Philip Froissant: Ich mag die Zug-Szene wahnsinnig gerne. Ich habe mir nach der ersten Staffel gewünscht, dass Franz auch mal eine Szene bekommt, in der er ein bisschen herumalbern kann. (lacht) Franz hat auch den Schalk im Nacken. Durch dieses Korsett als Herrscher und diesen Druck, der auf ihm lastet, kommt das selten zum Vorschein. Aber auch die leichten Momente zwischen Elisabeth und Franz haben mir großen Spaß gemacht.
Devrim Lingnau: Das ging mir auch so. Ich mochte auch die Szenen mit Johannes Nussbaum und Josephine Thiesen sehr gerne. Dass wir zu viert gespielt haben, war ganz selten, und das hat in dieser Konstellation total Spaß gemacht.
Devrim Lingnau: "Ich glaube nicht, dass es diesen einen Menschen gibt, der zu einem passt"
Glauben Sie an die eine große Liebe im Leben?
Devrim Lingnau: Nein. (lacht)
Philip Froissant: Ich, ehrlich gesagt, schon. Ich glaube aber auch, dass dieser Begriff "die eine große Liebe" etwas ist, was man am Anfang fühlt, was aber sehr viel Arbeit bedeuten kann.
Devrim Lingnau: Ich glaube, dieses Konzept von romantischer Liebe oder heteronormativen, geschlossenen, monogamen Beziehungen, ist ein Konstrukt, um in der Gesellschaft, in der wir leben, zu überleben. Und entweder man schließt sich dem an oder halt nicht. Aber ich glaube nicht, dass es dem menschlichen Sein zugrunde liegt, dass es diesen einen Menschen gibt, der zu einem passt.
Wie würden Sie sich einander in drei Sätzen beschreiben?
Devrim Lingnau: Ich liebe Philips Körperlichkeit, weil er so was Einzigartiges hat in der Art und Weise, wie er sich bewegt. (beide lachen) Das ist manchmal ein bisschen "clumsy" (übersetzt etwa "unbeholfen", Anmerkung der Redaktion), aber sehr liebenswert. Philip ist manchmal ein bisschen schüchtern. Und ich finde dich sehr lustig. Was ich auch sehr schätze, ist, dass ich gut mit dir diskutieren kann.
Philip Froissant: Devrim hat manchmal so eine "Awkwardness" (übersetzt etwa "Unbeholfenheit", Anmerkung der Redaktion). Dann passieren Dinge, die man von außen nicht so ganz versteht. (lacht) Aber da entstehen manchmal sehr lustige Situationen. Was ich an dir schätze, ist auch, dass man immer weiß, woran man ist. Es ist einfach so eine Ehrlichkeit da, eine Klarheit und Warmherzigkeit.
Wie viel Elisabeth steckt denn in Devrim und wie viel Franz in Philip?
Philip Froissant: Ich finde, mit der Art und Weise, wie du deine Elisabeth angelegt hast, gibt es auf jeden Fall Überschneidungspunkte. Elisabeth wird ja immer so als "Force of Nature" beschrieben und ich finde, da sind ganz viele Sachen, die auch mit dir zu tun haben. Diese Sehnsucht nach so etwas Nomadischen, diese Neugier, der Lebenshunger.
Devrim Lingnau: Ich glaube – und das rührt mich sehr an der Figur und an dir – dass Franz manchmal sehr gehalten ist und in seiner Funktion als Kaiser und du natürlich auch als öffentliche Person. Was ich an Franz interessant finde, ist, dass bei ihm immer wieder dieses sehr Nahbare, Durchlässige durchkommt. Er hat etwas, was man ihm als Kaiser wahrscheinlich eher versuchen würde abzutrainieren. Viele Personen in der Öffentlichkeit treten auch so auf, dass sie nicht nahbar wirken. Und du hast so etwas Durchlässiges in dir, aber auch als Franz, dass ihr dadurch sehr zugänglich seid. Ich glaube, das macht dich auch zu einem interessanten Schauspieler.