Die deutsche Wirtschaft ist im dritten Quartal nicht so stark gewachsen wie zunächst prognostiziert. Damit schrammt sie dank eines starken Privatkonsums noch knapp an einer Rezession vorbei.
Die deutsche Wirtschaft ist im dritten Quartal nur minimal gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte von Juli bis September nur um 0,1 Prozent im Vergleich zum Vorquartal zu, teilte das Statistische Bundesamt mit. Eine frühere Schätzung im Oktober hatte noch ein Plus von 0,2 Prozent ergeben. Damit ist eine Rezession gerade noch vermieden worden. Im zweiten Quartal dieses Jahres war die Wirtschaft um 0,3 Prozent geschrumpft, nach plus 0,2 Prozent in den ersten drei Monaten. Zwei Minus-Quartale in Folge hätten eine technische Rezession bedeutet.
"Quälend lange Stagnationsphase"
"Die Zahlen liegen schon etwas dichter an der Wahrnehmung der Konjunktur und der Mehrzahl der Indikatoren als die erste Schätzung", stellt Jens-Oliver Niklasch, Ökonom bei der LBBW, fest. "Faktisch tritt die Wirtschaftsleistung in Deutschland auf der Stelle, bestensfalls." "Deutschland befindet sich in einer quälend langen Stagnationsphase", kommentierte DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle die Entwicklung. "In toxischer Art und Weise verbinden sich seit geraumer Zeit konjunkturelle und strukturelle Probleme."
Auch der Blick in die Zukunft bleibt düster: Für Ökonom Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) ist das Mini-Wachstum "zunächst erst einmal nur ein Ausreißer, nicht aber eine Trendwende". "Erst im Laufe des kommenden Jahres könnte sich die Konjunktur allmählich erholen", sagte Dullien. "Steigende Löhne und niedrige Inflation führen dann über höhere Kaufkraft zu mehr Konsum."
Hoffnungen ruhen auf der EZB
Insbesondere der Konsum ist bedeutsam für die künftige Entwicklung. Dass eine Rezession vermieden werden konnte, ist den ausgabefreudigen Verbrauchern zu verdanken. Diese steigerten ihren Konsum im Sommer um 0,3 Prozent zum Vorquartal. "So gaben die Verbraucherinnen und Verbraucher unter anderem mehr für Verbrauchsgüter aus, beispielsweise für Nahrungsmittel und Getränke", erklärten die Statistiker. Der Staatskonsum wuchs mit 0,4 Prozent sogar noch etwas stärker.
"Leicht negative Impulse kamen dagegen von den Investitionen", betonte das Bundesamt. In Ausrüstungen, also vor allem in Maschinen, Geräte und Fahrzeuge, wurde 0,2 Prozent weniger investiert, in Bauten sogar 0,3 Prozent weniger. Die gelockerte Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) könnte für eine Belebung sorgen. "Die Hoffnungen ruhen auf niedrigeren Zinsen und dass sich dadurch das Unternehmerlager doch noch zu Investitionen aufrafft", sagte Ökonom Gitzel. "Niedrigere Zinsen können auch der angeschlagenen Bauwirtschaft frischen Winde einhauchen."
Der Außenhandel zeigte sich zuletzt "zweigeteilt", wie die Statistiker ausführten: So wurden preis-, saison- und kalenderbereinigt 1,9 Prozent weniger Waren und Dienstleistungen exportiert, die Importe stiegen hingegen leicht um 0,2 Prozent an.
Industrie massiv unter Druck
Wie besorgniserregend die konjunkturelle Lage ist, zeigt auch, dass die KfW heute die Prognose für das preisbereinigte BIP-Wachstum im laufenden Jahr von plus 0,1 Prozent auf jetzt minus 0,1 Prozent senkt. Für 2025 erwartet KfW Research nur noch ein Wachstum von 0,5 Prozent. In der Sommerprognose rechneten die Ökonomen noch mit einem Wachstum von 1,0 Prozent. "Nach einem moderaten Erholungspfad im Winterhalbjahr 2024/2025 droht eine erneute Wellblechkonjunktur - also eine Situation, in der sich positive und negative Quartalswachstumsraten abwechseln."
Die deutsche Industrie sendet unterdessen weitere Schwächesignale. Sie sieht sich stark unter Druck und erwartet 2024 das dritte Jahr in Folge eine schrumpfende Produktion. "Wir rechnen gegenüber dem Vorjahr mit einem dicken Minus in der Produktion von rund drei Prozent", erklärte BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner heute. "Besonders problematisch ist, dass die deutschen Leitbranchen in diesem Jahr mit starken Rückgängen zu kämpfen haben."
Der Fahrzeugbau verzeichnete per September gegenüber dem Vorjahreszeitraum Produktionseinbußen von minus 6,9 Prozent, im Maschinenbau waren es minus 8,5 Prozent und in der Elektroindustrie minus 10,7 Prozent.