Wladimir Putin stellt sich ausgewählten Fragen von Journalisten und Bürgern. Es geht um die Ukraine, Syrien, Donald Trump und Helmut Kohl. Die wichtigsten Zitate.
Licht, Kamera, der Präsident ist live!
Es ist das Fernsehereignis in Russland. In "Der direkte Draht" beantwortet Kremlchef Wladimir Putin in einer Mischung aus Jahrespressekonferenz und TV-Sprechstunde Fragen von Journalisten und Bürgern. Alle natürlich handverlesen.
Es ist ein Format, das Putin zur Selbstdarstellung nutzt. In seinem "Putin-TV" inszeniert sich der Kremlchef als Kümmerer und Problemlöser. Die russischen Sender, die praktisch alle die Fragestunde übertragen, haben rund drei Stunden dafür eingeplant. Dieses Jahr dauerte es rund viereinhalb Stunden. STERN PAID 42_24 Applebaum IV 13.31
Mehr als eine Million Fragen an Wladimir Putin eingereicht
Mehr als eine Million Fragen an das Staatsoberhaupt sind eingegangen laut der staatlichen Nachrichtenagentur Tass eingegangen. Und natürlich drehen sie sich um den Krieg in der Ukraine, Assads Sturz in Syrien, die USA vor dem Wechsel Donald Trumps ins Oval Office. Aber auch Armut, soziale Not, Gesundheitsbeschwerden und fehlende Infrastruktur sind häufige Themen in diesen Fragerunden.
Ein Überblick über Putins wichtigste und bemerkenswerteste Aussagen:
1. Putin will verhandeln und sieht Russlands Ziele in der Ukraine bald erreicht
Der Krieg in der Ukraine – der in Russland nicht so heißen darf, sondern nur "Sonderoperation" – dürfte aus Putins Sicht schon bald vorbei sein. Die Lage dort ändere sich nach Angaben von Russlands Präsident Wladimir Putin gerade "dramatisch" zugunsten seines Landes. Russland sei dabei, seine vorrangigen Ziele zu erreichen.
Zugleich bot er Verhandlungen mit der Ukraine an, die aber auch dazu bereit sein müsse. Putin hatte bereits mehrfach gesagt, er sei bereit zu verhandeln, dies aber stets mit territorialen Ansprüchen Russlands an das Nachbarland verbunden. Dabei sei er aber auch zu Eingeständnissen bereit, betonte er auf eine Frage des US-Senders NBC.
Wir haben immer gesagt, dass wir zu Verhandlungen und Kompromissen bereit sind, aber die andere Seite hat sich sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne geweigert zu verhandeln.
Bald wird es keine Ukrainer mehr geben, die kämpfen wollen.
Russland hatte die Ukraine im Februar 2022 überfallen und hält seither im Süden und Osten des Landes weite Landstriche besetzt. Seit Wochen haben russische Truppen die Angriffe verstärkt und auch Geländegewinne erzielt.
Putins neuer alter Machtzirkel 18:12
2. Putin denkt, er hätte den Krieg früher anfangen sollen
Laut dem Kremlchef hätte Russland den Krieg gegen die Ukraine schon vor 2022 beginnen sollen.
Rückblickend auf die Situation 2022 denke ich, hätten wir die Entscheidung, die wir damals getroffen haben, eher treffen müssen.
Der Entschluss zum Einmarsch in die Ukraine sei damals gefallen, weil klar geworden sei, dass Russland betrogen worden sei und die Ukraine sich nicht an die Vereinbarungen von Minsk für einen Frieden halten wolle.
In dem Zusammenhang räumte der Kremlchef indirekt ein, die Verteidigungskraft der Ukrainer unterschätzt zu haben. Russland hätte sich schon viel früher auf einen Krieg vorbereiten sollen, sagte Putin.
Auf die Frage, ob ihn die vergangenen drei Jahre Krieg verändert hätten, sagte er:
Ich mache weniger Witze.
3. Putin betrachtet Assads Sturz in Syrien nicht als russische Niederlage
Russland und Syrien waren lange enge Partner und das Assad-Regime eine wichtige Stütze Russlands im Nahen Osten. Seit dem Sturz Assads und seiner Flucht nach Moskau sehen Beobachter Putin an einer empfindlichen Stelle getroffen. Doch dem will der Kremlchef keine Beachtung schenken. Die in Syrien stationierten russischen Truppen seien durch den Sturz des Assad-Regimes nicht besiegt worden.
Ich versichere Ihnen, das ist es nicht.
Russland sei "vor zehn Jahren nach Syrien gegangen, um die Entstehung einer terroristischen Enklave wie in Afghanistan zu verhindern", sagte Putin. "Im Großen und Ganzen" sei dieses Ziel erreicht worden, auch wenn es nach wie vor eine "schwierige" Situation sei.
4. Putin fordert USA zum Raketenduell heraus
Um eine vermeintliche russische militärische Überlegenheit zu demonstrieren, forderte Putin die USA zu einem "Raketenduell" heraus, um zu zeigen, dass die neue ballistische Hyperschallrakete vom Typ Oreschnik von keinem US-Raketenabwehrsystem besiegt werden kann.
Wir sind zu einem solchen Experiment bereit.
Er schlug vor, dass sich beide Staaten auf ein bestimmtes Ziel einigen, das dann von US-Raketen geschützt werden soll. Russland hat die Oreschnik erstmals am 21. November auf die ukrainische Stadt Dnipro abgefeuert.
5. Putin "jederzeit" zu einem Treffen mit Trump bereit
Dass der designierte US-Präsident etwas für den Kremlchef übrighat, ist mittlerweile kein Geheimnis mehr. Trotz der derzeit eisigen Stimmung zwischen Washington und Moskau ist Putin offen für ein Treffen. Doch Trump scheint nicht zu wollen. Noch nicht jedenfalls.
"Ich weiß nicht, wann ich ihn sehen werde. Er sagt dazu nichts", sagte Putin.
Ich habe seit mehr als vier Jahren nicht mit ihm gesprochen. Ich bin dazu bereit, natürlich. Jederzeit.
Er sei auch bereite, Trump zu treffen – sofern dieser einwillige. Aber Putin sagte auch:
Wenn wir eines Tages den designierten Präsidenten Trump treffen, bin ich mir sicher, dass wir uns viel zu sagen haben.
Trump hatte am Montag Gespräche mit den Präsidenten von Russland und der Ukraine angekündigt, um Wege zu Beendigung des Ukraine-Krieges auszuloten. Trump, der am 20. Januar sein Amt antritt, hatte im Wahlkampf eine schnelle Beendigung des Ukraine-Konflikts angekündigt.
6. Putin sieht russische Wirtschaft trotz hoher Inflation stabil
Die russische Wirtschaft ist nach Angaben von Präsident Putin trotz der hohen Inflation stabil. Die Wirtschaft könne in 2024 um vier Prozent gewachsen sein, aber die Inflation sei ein beunruhigendes Signal.
Es gibt hier einige Probleme, nämlich die Inflation, eine gewisse Überhitzung der Wirtschaft und die Regierung sowie die Zentralbank sind bereits damit beauftragt, das Tempo zu drosseln.
Das erwartete Wachstum der russischen Wirtschaft 2025 bezifferte er "irgendwo bei 2 bis 2,25 Prozent". Putin sprach von einer "weichen Landung". Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine hat der Westen gegen Russland zahlreiche Sanktionen verhängt, die das Land aber zumindest teilweise umgehen kann – etwa beim Verkauf von Öl und Gas.
Zuletzt hatte es einen Verfall der Rubel-Währung gegeben, er verlor im November um rund 15 Prozent an Wert gegenüber dem Dollar. Viele Analysten machten dafür Panikkäufe von Fremdwährungen verantwortlich.
7. Lob mit Seitenhieb auf Helmut Kohl
Putin hat die Rolle von Deutschlands Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl als Staatsmann hervorgehoben – konnte sich aber eine Bemerkung zu dessen Erscheinungsbild nicht verkneifen.
Er war eine Figur internationalen Maßstabs und nicht nur, weil er ein massiger Mann war, sondern auch wegen seiner Handlungen und Überzeugungen.
Die Gespräche mit Kohl seien immer sehr interessant und lehrreich gewesen. Er habe nicht häufig mit Kohl gesprochen, aber Kohl sei einer der großen Politiker der modernen Zeitgeschichte gewesen, der viel für Deutschland getan habe, lobte Putin. Kohls Amtszeit endete vor Putins Präsidentschaft.