Schneller als erwartet haben die sich die Grünen ihr Wahlprogramm abgesegnet. Spitzenkandidat Habeck sieht in der Tempo-Nummer ein Zeichen dafür, dass die Partei voller Energie ist. Bei einer Regierungsbeteiligung wollen sie den von ihnen eingeschlagenen Kurs fortsetzen.
In ungewohntem Tempo haben die Grünen ihr Programm für die Bundestagswahl am 23. Februar beschlossen. Rund zwei Stunden früher als erwartet endete der Bundesparteitag in Berlin, bei dem mehrere Redner die Union vor einer möglichen Kooperation mit der AfD warnten. Kanzlerkandidat Robert Habeck sagte zum Schluss: "Vorhin habe ich ja gesagt, wenn Deutschland ein Problem nicht hat, dann dass es zu schnell ist. Nun haben wir gezeigt, wie es sein kann." Das sei den Grünen bisher nicht häufig passiert, "und es zeigt, welche Energie hier von dieser Partei ausgeht".
Den Fokus legen die Grünen im Wahlprogramm darauf, den Menschen den Alltag bezahlbar zu machen. Der kommenden Bundesregierung wolle sie angehören - und "den Weg der Erneuerung" des Landes fortsetzen.
Arbeit und Rente
Gefordert wird ein Mindestlohn von 15 Euro und eine Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent des durchschnittlichen Arbeitseinkommens. Die Grünen halten zudem an der Rente mit 67 fest, wollen aber mehr Anreize für ältere Menschen schaffen, über die Regelaltersgrenze hinaus zu arbeiten. Die gesetzliche Rente soll um einen "Bürger*innenfonds" ergänzt werden, der Mittel am Kapitalmarkt investiert - unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien. Mit den Erträgen sollen insbesondere geringe und mittlere Renten gestärkt werden.
Steuern
Die Grünen wollen Erwerbstätige durch eine Anhebung der Arbeitnehmerpauschale bei der Einkommensteuer von aktuell 1230 auf 1500 Euro entlasten. Auch der Grundfreibetrag soll steigen. Steuergutschriften soll es zudem für Menschen mit besonders geringen Einkommen und Alleinerziehende geben. Im Gegenzug wollen die Grünen Menschen mit großen Vermögen stärker belasten - durch eine globale Milliardärssteuer, eine fairere Erbschaftsteuer, eine Reform der Immobilienbesteuerung oder eine nationale Vermögensteuer.
Mieten
Eine der "entscheidenden sozialen Fragen unserer Zeit" sieht die Partei im bezahlbaren Wohnen. Die Grünen wollen deshalb die Mietpreisbremse verlängern und verschärfen. So sollen unter anderem Schlupflöcher bei möblierten Wohnungen geschlossen werden. Die aktuelle Mietpreisbremse läuft Ende 2025 aus.
Verkehr
Die Grünen wollen das 49-Euro-Ticket erhalten und stündliche Nahverkehrs-Verbindungen in alle Dörfer schaffen. Die "Erfolgsgeschichte" des Deutschlandtickets soll fortgeschrieben, das Ticket dazu weiterhin "zu einem günstigen Preis für alle" angeboten werden - und zwar für 49 Euro monatlich. Ausbauen wollen sie zudem kostenlose oder vergünstigte ÖPNV-Angebote für junge Menschen. Als "mittelfristiges Ziel" gibt die Partei aus, "alle Dörfer in der Zeit von 6.00 bis 22.00 Uhr mindestens einmal pro Stunde anzubinden". Gefordert wird weiter ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen.
Demokratischer Rechtsstaat
Die Grünen betonten die Bedeutung einer starken Demokratie als Grundlage des Zusammenlebens. "Das Fundament unserer Demokratie sind starke Institutionen und eine lebendige Zivilgesellschaft", heißt es weiter. Hervorgehoben wird auch das Ziel einer starken Europäischen Union.
Klima- und Umweltpolitik
Dem Schutz des Klimas und der Ökosysteme messen die Grünen in dem Programmentwurf eine "herausragende Bedeutung" zu. Das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens wird bekräftigt. Klimaschutz soll jedoch einfacher und bezahlbarer werden. Sie wollen deshalb "so schnell wie möglich" ein Klimageld einführen: Mit der Leistung sollen Menschen für die gestiegenen Heiz- und Energiepreise entlastet werden. Die Partei setzt voll auf Strom aus erneuerbaren Energien. Dieser soll jedoch günstiger werden, unter anderem durch eine Senkung der "Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß".
Deutschlandfonds und Schuldenbremse
"Der Investitionsstau in Deutschland liegt im dreistelligen Milliardenbereich", heißt es im Programm Die Grünen fordern deshalb eine Reform der Schuldenbremse - um Investitionen in Infrastruktur, Wirtschaft und "Dekarbonisierung" zu finanzieren. Bis die Reform umgesetzt wird, sei ein "Deutschlandfonds" notwendig. Dessen Mittel will die Partei unter anderem für den Klimaschutz sowie die Verkehrs- und Energieinfrastruktur verwenden.
Migration
Die Grünen bekennen sich zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Diese müsse "grund- und menschenrechtskonform" umgesetzt werden. Die Partei ist gegen die Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten und setzt sich für eine staatliche EU-Seenotrettungsmission ein. Solange es diese nicht gibt, müsse die zivile Seenotrettung weiter gefördert werden. Migration will die Partei "besser ordnen und steuern", unter anderem mithilfe von Migrationsabkommen. "Nicht jeder, der nach Deutschland kommt, kann bleiben", heißt es im Programm. Freiwillige Rückkehr habe aber Vorrang.
Außen- und Sicherheitspolitik
Hier pochen die Grünen auf eine Stärkung der EU, eine fortgesetzte Unterstützung der Ukraine und dauerhafte Verteidigungsausgaben von "deutlich mehr" als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts - also über dem Nato-Ziel. Die Partei unterstützt zudem ausdrücklich "die Ukraine auf ihrem Weg zur Mitgliedschaft in der EU und NATO".
Deutschland-App
Das Beantragen eines Ausweises oder Anmelden einer Wohnung soll künftig per App möglich sein. Die Grünen wollen dazu gemeinsam mit den Ländern und Kommunen eine "Deutschland-App" einführen, über die dann alle staatlichen Verwaltungsleistungen zugänglich wären.
Böllerverbot
Die Delegierten sprachen sich mehrheitlich für ein ganzjähriges und bundesweites Feuerwerksverkaufsverbot aus sowie für mehr Spielräume für die Länder bei Verbots- und Erlaubniszonen.
Der Parteivorsitzende, Felix Banaszak, appellierte an den Kanzlerkandidaten der Union, Friedrich Merz (CDU): "Herr Merz, stellen Sie klar, wo Sie, wo die Union steht!"
Die Union will als Reaktion auf die Bluttat in einem Park in Aschaffenburg in der anstehenden Bundestagswoche zwei Anträge zu Fragen der Migration und der Inneren Sicherheit vorlegen. Unter anderem soll das Aufenthaltsrecht für Straftäter und sogenannte Gefährder verschärft werden.
Habeck warf Merz vor, eine Mehrheit im Bundestag mit Hilfe der AfD erzielen zu wollen. "Nichts daran ist harmlos", warnte er. "Man sollte das nicht als strategische Fehlleistung abtun." Er betonte: "Wenn man das korrigieren will, dann aber schnell."