3 months ago

Debatte bei "Hart aber fair": Scheitert der Vorstoß für ein AfD-Verbot schon ganz früh?



Am Dienstag will eine Gruppe von knapp vierzig Bundestagsabgeordneten den Fraktionen einen Antrag für die Prüfung eines AfD-Verbots übergeben. Wie sinnvoll ein solches ist, diskutieren die Gäste bei "Hart aber fair". Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke macht den Befürwortern wenig Hoffnung.

Ende 1990. Im ersten gesamtdeutschen Bundestag gibt es eine Partei, die von allen anderen gemieden wird. Jahrelang wird in Bund und Ländern über ein mögliches Verbot diskutiert. Auch im Abgeordnetenhaus in Berlin, wo 1992 die CDU ein Verbot der Partei prüfen lässt, die deren damaliger Parlamentarischer Fraktionsgeschäftsführer als "Restbestand des Kommunistenpöbels" bezeichnet. Es geht um die PDS, aus der später die Linke entstand. Sie entging damals einem Verbotsverfahren.

Jetzt wollen Abgeordnete der Linken gemeinsam mit Kollegen von Grünen, SPD und CDU ein Verbot der rechtsextremen AfD prüfen lassen. Doch ist ein Verbotsverfahren wirklich eine gute Idee? Darüber diskutieren die Gäste in der ARD-Talkshow "Hart aber fair". Die AfD selbst ist nicht dabei. Warum, bleibt offen.

Aber ein AfD-Aussteiger kommt: Alexander Reschik, der zwischen 2015 und 2021 in der Jungen Alternative, dem Jugendverband der AfD, und in der Partei selbst aktiv war. Mit 15 Jahren ist er dort eingetreten. Die AfD sei damals eine junge Partei gewesen, in der man schnell Karriere machen konnte, erzählt er. Schnell wird er in den Bundesvorstand der Jungen Alternative gewählt. 2021 verlässt er die Partei. Sie habe sich zu sehr radikalisiert, sagt er bei "Hart aber fair". Dennoch wird er sich im Laufe der Sendung gegen ein AfD-Verbot aussprechen.

Anders als der Parlamentarische Staatssekretär beim Wirtschaftsministerium, Michael Kellner von den Grünen. Gemeinsam mit dem ehemaligen Ost-Beauftragten der Bundesregierung, Marco Wanderwitz von der CDU, ist er der bekannteste Verfechter der Prüfung eines AfD-Verbots. Dafür sei das Bundesverfassungsgericht zuständig, sagt er. Einen solchen Antrag können nur Verfassungsorgane stellen, also Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung. Er und seine Kollegen haben den Gruppenantrag jetzt eingebracht, weil sie wollen, dass er ohne den Druck eines Wahlkampfs im Bundestag diskutiert wird.

Ein Gruppenantrag wird von Abgeordneten mehrerer Fraktionen gestellt. Bei der Abstimmung müssen sich die Abgeordneten nicht nach Fraktionsvorgaben richten. Sie stimmen also frei ab. Soll der Antrag an das Bundesverfassungsgericht gehen, müsste ihm die Mehrheit des Bundestages zustimmen. Zurzeit unterstützen ihn fünf Prozent der Abgeordneten. Die müssen nun ihre Fraktionskollegen davon überzeugen. Der Bundestag kann frühestens in der kommenden Woche darüber diskutieren.

Schwierige Beweisführung

Vor allem Michael Kellner und Ronen Steinke, Journalist bei der "Süddeutschen Zeitung", sprechen sich für ein AfD-Verbot aus. Moderatorin Ruth Moschner gehört zu den Erstunterzeichnern einer Internet-Petition, die das Verbot fordert. Bei "Hart aber fair" berichtet sie von der Angst ihrer Freundinnen vor rechter Gewalt.

Ihm sei die Entscheidung schwergefallen, sagt Michael Kellner. "Wir sehen in der AfD eine Partei, die unsere Verfassung und unseren Rechtsstaat angreift." Die Pläne, Deutsche mit Migrationshintergrund abzuschieben, seien zum Beispiel rassistisch. "Ich bin überzeugt davon, dass es richtig ist, die Sache prüfen zu lassen, eine Klarheit herzustellen, und es dann dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen." Jetzt sei der richtige Zeitpunkt, das Für und Wider eines AfD-Verbotsantrages zu diskutieren, sagt Kellner.

Ronen Steinke ist klar: Die Beweisführung für die Verfassungsfeindlichkeit der AfD sei schwierig. Schon ihr Parteiprogramm sei relativ sauber, sagt Steinke: "Da stehen die ganzen Schweinereien, die wir der AfD zutrauen, nicht explizit drin." Man müsse schauen, wie sich deren Abgeordneten parlamentarisch verhalten, man müsse die Bücher des Thüringer AfD-Landeschefs Björn Höcke lesen, die dieser privat veröffentliche, "man muss schauen, wie er sich benimmt im parlamentarischen Leben mit Sabotage, mit Chaos, mit Einschüchtern von politischen Gegnern." Kurz, man müsse sich anschauen, was die AfD in Wahrheit für einen Charakter habe. Sollten die Verfassungsrichter in Karlsruhe zu dem Schluss kommen, die AfD sei eine Partei, die sich nicht einfügen und die Macht an sich reißen wolle, um sie nicht wieder herzugeben, dann sei diese ein Fall für das Grundgesetz.

Die Gegner des AfD-Verbots

Man müsse die AfD bekämpfen. Darin sind sich auch die Gegner eines AfD-Verbotsverfahrens einig. Das sind an diesem Abend der Publizist Albrecht von Lucke und die CDU-Politikerin Serap Güler. "Mit meinem Namen, mit meiner Herkunft, mit meinem Glauben wäre ich die Erste, die davon betroffen wäre, wenn die AfD irgendwann einmal in diesem Land Verantwortung haben sollte, inklusive meiner ganzen Familie. Das heißt, ich nehme diese Gefahr sehr, sehr ernst. Trotzdem schließe ich mich diesem Antrag nicht an."

Sie glaubt nicht, dass ein Verbotsverfahren bis zur kommenden Bundestagswahl klappen wird. Doch selbst wenn, fürchtet Güler: "Die Gefahr, dass sie mit voller Wucht wieder zurückkommen wird, wäre einfach sehr groß." Sollte das Verbotsverfahren nicht bis zur Bundestagswahl unter Dach und Fach sein, fürchtet sie einen Erfolg der rechtsextremen Partei, die sich in diesem Fall als Opfer stilisieren würde.

Albrecht von Lucke geht davon aus, dass es im Bundestag keine Mehrheit für ein Verbot der AfD geben werde. Ein Verbotsverfahren könne mehrere Jahre dauern, der Ausgang sei ungewiss. Er fordert, über andere Möglichkeiten zu reden, um die Partei zu bekämpfen.

Lassen sich AfD-Wähler "zurückholen"?

AfD-Aussteiger Alexander Reschik sieht ein besonderes Problem: Die Wähler der AfD. "Ich bin mir sehr sicher, dass die Mehrheit der AfD-Wähler felsenfest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht. Und ich glaube, dass wir diese Menschen für die Mitte der Gesellschaft und für das Parteienspektrum zurückgewinnen können, wenn wir ihnen die Hand reichen. Diese Menschen würden sich aber in breiter Zahl von der etablierten Politik abwenden, wenn wir die Partei, die momentan ein Sprachrohr ist, verbieten."

Doch es gibt ein Faktum, das nicht geleugnet werden kann: Die AfD ist eine Partei, die vor allem für Minderheiten gefährlich werden kann. Lucke verlangt deswegen: "Wir müssen die Kräfte dieser Gesellschaft auffordern, gegen die AfD-Politik Stellung zu beziehen." Und Serap Güler fügt hinzu: "Ich möchte die AfD politisch bekämpfen. Ich habe mich dazu entschieden, dass ich mich ihnen politisch stelle, um sie nicht zum Opfer zu machen." Die größte Gefahr für die Demokratie sei, dass die Politiker der AfD nach einem abgelehnten Parteiverbot behaupten könnten, sie seien laut Gerichtsurteil nicht rechtsextrem. Güler fordert: "Unabhängig von Verbotsverfahren sollten alle politischen Parteien versuchen, die Wählerinnen und Wähler der AfD zurückzuholen. Dazu müssen wir die AfD mit Argumenten entzaubern."

Von Lucke hofft auf die Zeit nach der Bundestagswahl, wenn die Unionsparteien im Bund regieren würden. Deren Aufgabe sei, "mit guter Politik die AfD auch wieder kleiner zu machen. Wenn wir diese Hoffnung nicht haben, können wir die Politik irgendwann drangeben."

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