Bei der Chatkontrolle und den Beziehungen zur US-Organisation Thorn möchte sich die EU-Kommission weiterhin nicht in die Karten schauen lassen. Die EU-Bürgerbeauftragte hatte die Kommission zur Herausgabe von Dokumenten aufgefordert und bedauert nun, dass diese dem nicht nachkommt.
Die Europäische Bürgerbeauftragte bedauert die Weigerung der Europäischen Kommission, ihrer Empfehlung zu folgen und vier Dokumente im Zusammenhang mit der Ausarbeitung von Gesetzesvorschlägen zur sogenannten Chatkontrolle öffentlich zu machen. Dies teilt die Bürgerbeauftragte auf ihrer Website mit.
Die Dokumente wurden von einem Journalisten im Jahr 2023 im Rahmen einer Informationsfreiheitsanfrage angefordert und betreffen Treffen der Kommission mit der Organisation Thorn. Zwar sind einige der Dokumente bei Anfragen in anderen Ländern öffentlich geworden, Gesprächsnotizen eines Treffens mit Thorn und dem EU-Innenkommissariat bleiben allerdings weiterhin geheim. Die EU-Kommission begründet dies mit angeblichen Geschäftsgeheimnissen.
Die EU-Bürgerbeauftragte hatte der EU-Kommission empfohlen, die Dokumente freizugeben, „um der Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben, zu prüfen, wie die Beiträge der Interessengruppen in ihren Legislativvorschlag eingeflossen sind, und um zu überprüfen, ob sie unabhängig und ausschließlich im öffentlichen Interesse gehandelt hat“, heißt es in der Mitteilung.
Thorns zweifelhafte Rolle
Die US-Nichtregierungsorganisation Thorn, die mehr eine Art Start-Up ist, spielt eine zentrale Rolle in der Entstehung der Pläne für die Chatkontrolle. Thorn hatte schon früh für die Einführung der Chatkontrolle bei der EU-Kommission lobbyiert, wie der damals bei netzpolitik.org arbeitende Journalist Alexander Fanta aufdeckte. Die Organisation stellt selbst eine Software zur Erkennung von Bildmaterial her.
Von Anfang an waren die Pläne einer Chatkontrolle durch Lobbynetzwerke rund um Thorn und Vorschläge des Sicherheitsapparates geprägt. Recherchen von netzpolitik.org ergaben, dass zwei Europol-Beamte zu Thorn wechselten.
Recherchen von netzpolitik.org deckten auch auf, wie gut der Zugang von Thorn zur EU-Kommission ist. Durch öffentlich gewordene Mail-Wechsel zeigte sich, dass Thorn innerhalb von 37 Minuten einen Termin mit der EU-Innenkommissarin vereinbaren konnte. Internationale Recherchen zeigten zudem, dass Thorn Teil eines weitverzweigten und gut finanzierten Lobby-Netzwerks ist, dass die Einführung der Chatkontrolle forciert.
„Schwarzes Loch bei der Transparenz“
Alexander Fanta, der mittlerweile bei der Investigativplattform Follow The Money arbeitet, ist weiter an Thorn drangeblieben. So kam durch seine Recherche heraus, dass Thorn die Chatkontrolle auch für andere Kriminalitätsfelder als Kindesmissbrauch empfahl. Fanta ist es auch, der die Dokumente mittels einer Informationsfreiheitsanfrage bei der EU-Kommission angefragt – und sich nach der Ablehnung bei der Bürgerbeauftragten beschwert hatte.
Fanta sagt gegenüber netzpolitik.org: „Die Bürgerbeauftragte hat nochmal deutlich auf das schwarze Loch bei der Transparenz hingewiesen, was die Rolle Thorns bei der Ausarbeitung des Gesetzesvorschlags für die Chatkontrolle angeht.“ Die Kommission müsse endlich eingestehen, wie groß die Rolle Thorns war, und auf inhaltliche Kritik an ihrem Entwurf angemessen reagieren. Die Intransparenz der Kommission bei diesem Gesetzesvorschlag sei untragbar, so Fanta weiter.
Die Chatkontrolle hat bisher nicht die notwendige Unterstützung der Mitgliedstaaten erhalten, weil einige Länder nicht zustimmen wollen und eine Sperrminorität haben. Zuletzt war Belgien mit dem Versuch einer Abstimmung gescheitert.
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