
Die vergangene Woche war für CDU und CSU so turbulent wie selten eine zuvor - doch auf dem Parteitag schauen die Delegierten nach vorne. Asyl ist nur ein Randthema. Besonders laut wird immer geklatscht, wenn Merz sich von der AfD abgrenzt.
Der Parteitag der CDU bringt dem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz 20 Tage vor der Bundestagswahl das erhoffte Signal: Die Delegierten stehen geschlossen hinter ihrem Parteichef und beschwören den "Rückenwind", den dieser im Endspurt des Wahlkampfes habe. Daran waren nach einer turbulenten Woche Zweifel aufgekommen. Im Bundestag hatte die Unionsfraktion erstmals gemeinsam mit der AfD gestimmt. Am Mittwoch beschlossen die beiden Fraktionen gemeinsam mit der FDP einen Antrag für eine strengere Migrationspolitik, am Freitag scheiterte ein Gesetzentwurf an Abweichlern in den eigenen Reihen und denen der FDP.
Doch neue Woche, neues Glück: Dafür, dass der Partei historische Tage in den Knochen stecken, wurde vergleichsweise wenig darüber geredet. Dafür wurde viel applaudiert und gejubelt. Merz rief dazu auf, jetzt Kurs zu halten und sagte, die große Mehrheit der Menschen wolle eine andere Migrationspolitik. Das spiegelt sich auch im Sofortprogramm, das die Union einstimmig verabschiedete - darin fordert sie beispielsweise eine Umsetzung des Zustrombegrenzungsgesetzes, das am Freitag eine Mehrheit im Bundestag verpasste. In seiner Rede konzentrierte Merz sich auf die Wirtschaftspolitik - seine wichtigste Botschaft war aber die klare Abgrenzung zur AfD, deren Zustimmung er am Mittwoch und am Freitag noch in Kauf genommen hatte. Eine Koalition, eine Duldung und eine Minderheitsregierung schloss er aus - und bekam dafür den lautesten Applaus.
Im Interview mit ntv ging er noch darüber hinaus. Die vergangene Woche sei eine Ausnahme gewesen, sagte er nach dem Parteitag. Es war ein klares Signal an die Wähler: "Ich profitiere nicht von Stimmen mit der AfD. Es wird auch eine Situation wie diese nach menschlichem Ermessen nicht noch einmal eintreten" Diese Situation sei nur dadurch entstanden, dass es keine Regierungsmehrheit mehr im Bundestag gebe. "Sobald wir eine Regierungsmehrheit haben, wird sich so eine Situation ohnehin nicht mehr stellen. Das war in der letzten Woche eine Ausnahme", so Merz. So deutlich hatte er das in seiner Rede nicht gesagt.
Eine Abrechnung mit dem Parteichef, offene Kritik, eine Rebellion gar, all das blieb aus. Der Grund: Viele Delegierte begrüßten Merz' Vorgehen, andere sagten sich: Da müssen wir jetzt durch. Keiner der Redner ging auf Distanz zu Merz und seinem Kurs. Auch nicht Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Im Gegenteil, er gab Merz volle Rückendeckung. Zur vergangenen Woche sagte er: "Das war schon ein steiler Move", für manche sei es wie eine Achterbahnfahrt gewesen. Aber jetzt wüssten die Leute, "wo wir stehen". Merz verdiene Unterstützung. "Kraft, Rückgrat und Statur, lieber Friedrich, du hast das." Söder untermauerte auch die Abgrenzung zur AfD. "Die Partei will uns vernichten", sagte er. Die Union werde nie mit ihr zusammenarbeiten.
Mahnungen zwischen den Zeilen
Generalsekretär Carsten Linnemann attackierte die SPD für ihre Weigerung, mit der Union das Zustrombegrenzungsgesetz zu beschließen. Ihr sei es nur um Wahlkampf gegangen, behauptete er. "Das ist niederträchtig. Das macht man nicht", rief er unter dem Applaus der Delegierten. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein sprach von einem "Offenbarungseid" von Rot-Grün. Jetzt wüssten die Menschen, dass es mit SPD und Grünen keinen Wechsel in der Migrationspolitik geben werde.
Wer es hören wollte, konnte allenfalls zwischen den Zeilen Mahnungen heraushören, sich jetzt wieder der Mitte zuzuwenden. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst sagte beispielsweise, der Staat müsse Instrumente haben, damit den Menschen Zuflucht gegeben werde, die sie wirklich brauchten. Die Menschen sollten sich darauf verlassen können, dass die Probleme aus der Mitte heraus gelöst werden. "Wir brauchen Weltoffenheit", forderte er. Nur ein weltoffenes Deutschland sei auch wirtschaftlich stark. Aber auch er forderte, die irreguläre Migration zu stoppen.
Die stellvertretende Parteivorsitzende Karin Prien sagte, die demokratischen Parteien müssten die Realität in Stadt und Land anerkennen und konkrete Lösungen anbieten. "In richtigen Momenten zu Kompromissen zu kommen, das bleibt unser Angebot an unsere demokratischen Mitbewerber", sagte sie. Prien ist Bildungsministerin in der von Daniel Günther geführten schwarz-grünen Koalition in Schleswig-Holstein. "Es ist infam, uns vorzuwerfen, wir würden auch nur einen Finger in Richtung der AfD ausstrecken", sagte sie. Die CDU brauche keinen antifaschistischen Nachhilfeunterricht von niemanden in diesem Land. Ministerpräsident Günther sprach selbst nicht.
Merz klingt wieder moderater, kompromissbereiter
Zentrales Thema des Parteitages war aber wieder die Wirtschaftspolitik - so wie es die Partei vor dem tödlichen Messerangriff von Aschaffenburg gehalten hatte. Lustvoll arbeiteten sich Merz, Söder und auch Redner wie Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn oder Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer an der Wirtschaftspolitik der Ampel ab. Auch damit grenzte sich die CDU gewissermaßen von der AfD ab, denn für die steht die Zuwanderung an erster Stelle und dann kommt lange nichts.
Über einen möglichen Koalitionspartner äußerte sich Merz nicht. Es komme jetzt darauf an, mit möglichst großem Abstand die Wahl zu gewinnen, sagte er. Je höher der Vorsprung, desto mehr könnten CDU und CSU von ihrem Programm umsetzen. Das habe Boris Rhein in Hessen vorgemacht. Dessen Wahlerfolg 2023 hat Merz schon öfter als Modell genannt. Rheins CDU war so stark, dass sie sich den Koalitionspartner aussuchen und SPD und Grüne gegeneinander ausspielen konnte. Eine Koalition mit den Grünen schloss Merz jedenfalls nicht ausdrücklich aus - und auch Söder tat das nicht, anders als früher. Söder sagte nun, mit "diesen Grünen" sei keine Koalition möglich. Ändern die Grünen ihre Politik, könnte es also gehen, hieße das im Umkehrschluss.
Merz schlug ganz andere Töne als noch in den vergangenen Tagen an, als er sich vollkommen kompromisslos gegeben hatte. Wer mit ihm regiere, müsse beispielsweise seinem Fünf-Punkte-Plan für eine strengere Migrationspolitik zustimmen, hatte er gesagt nach dem Messerangriff von Aschaffenburg gesagt. Jetzt klang er wieder maßvoller: "Unser beständiger Kampf um die Mitte, die notwendigen Kompromisse, das alles hat unser Land nicht schlechter gemacht", sagte er.
So bleiben zwei Signale vom Parteitag übrig: Die Partei stützt ihren Kandidaten auch nach den Ereignissen der vergangenen Woche. Und auf Abenteuer mit der AfD verspürt sie wenig Lust. Ob das bei den Menschen im Lande auch genauso ankommt? Das ist eine andere Frage.