3 months ago

​CDU-Chef gewinnt K-Frage: Merz hat es geschafft - aber jetzt geht es erst richtig los



Erst verzichtet NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, nun auch CSU-Chef Markus Söder. Der bayerische Ministerpräsident lässt Merz den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur. Der CDU-Chef hat beste Chancen, die Wahl zu gewinnen. Doch ein Selbstläufer wird es nicht.

Es ist kurz nach 12 Uhr am Mittag, als Friedrich Merz und Markus Söder im Atrium in der bayerischen Landesvertretung in Berlin vor die Hauptstadt-Journalisten treten. Doch der Showdown ist da schon vorbei. Über eine Stunde zuvor ist bereits durchgesickert, warum die beiden Chefs von CDU und CSU kurzfristig zu dieser Pressekonferenz geladen haben. Der bayerische Ministerpräsident verzichtet auf die Kanzlerkandidatur für die Bundestagswahl im kommenden Herbst.

"Um es kurz zu machen, die K-Frage der Union ist entschieden. Friedrich Merz macht's", sagt Söder, der als Erster spricht. "Ich bin damit fein und unterstütze das ausdrücklich", sagt er in einem fast heiteren Tonfall. Die Hoffnung der politischen Mitbewerber, "dass sich die Union in dieser Frage komplett zerlegt", könne er enttäuschen. Ziel sei es nun, die Ampelkoalition abzulösen. Dem sei alles andere unterzuordnen.

Merz äußert sich sehr sachlich, im für ihn typischen, tiefen Tonfall. "Als Markus Söder und ich vor zweieinhalb Jahren unsere gemeinsame Arbeit begonnen haben, haben wir uns gegenseitig fest versprochen, dass sich 2021 nicht wiederholen darf", sagt er. "Dieses Versprechen lösen wir mit dem heutigen Tag ein." Damals, vor drei Jahren, hatte Söder den Unionskanzlerkandidaten Armin Laschet mit ständigen Sticheleien das Leben schwer gemacht. Merz sagt nun, es sei nicht immer einfach gewesen, aber Söder und er hätten immer gewusst, dass sie eine gemeinsame Verantwortung für das Land hätten.

Merz hebt die Augenbrauen

Der 68-Jährige ist damit auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn. Ob Söder wirklich so "fein damit" ist, wie er sagte, darüber kann man sich nun den Kopf zerbrechen. Fakt ist: Der Bayer warb lange für sich. Selbst in der vergangenen Woche sagte er noch, er stehe bereit. So wies er jetzt neben Merz stehend wie im Vorbeigehen darauf hin, dass auch der CSU-Chef für die Kanzlerschaft geeignet sei. In diesem Moment drehte Merz den Kopf zu ihm, hob die Augenbrauen und legte die Stirn in Falten.

Merz sagte nun, er habe die Entscheidung mit den Landesvorsitzenden der CDU besprochen. Das Stimmungsbild dürfte eindeutig zugunsten von Merz ausgefallen sein. Die CDU-Vizevorsitzende Karin Prien kommentierte bei ntv kühl: "Da wollte ja jemand gerufen werden, aber es hat keiner gerufen." Spätestens als Merz' eigener Landeschef, Hendrik Wüst, am Montagabend auf eine Kandidatur verzichtete, deutete alles auf ihn.

Der NRW-Ministerpräsident verlieh der K-Frage in der Union damit die entscheidende Dynamik. Denn wie Söder galt auch Wüst als jemand, der gerne gewollt hätte. Der Münsterländer führt in Nordrhein-Westfalen eine schwarz-grüne Koalition. Er ist nicht nur deswegen so etwas wie der Gegenentwurf zu Söder, der für sich eine Koalition mit den Grünen ausgeschlossen hatte. In der CDU dürften allerdings die wenigsten Lust auf einen offenen Machtkampf haben. Bloß nicht vom Ampel-Debakel durch eine eigene Streit-Show ablenken, das ist die Devise. Zumal die Probleme des Landes zu drängend sind. Migration, Ukraine, Energieversorgung, um nur einige zu nennen.

Nun wird es also tatsächlich Merz. Ausgerechnet Merz. Der als konservativer Knochen verschriene Sauerländer. Der ewige Merkel-Rivale. Der schon längst Abgeschriebene. Als er 2018 sein Comeback in die Politik startete, stellte er sich noch als "Merz mit 'e'" vor, weil er in der Bundespressekonferenz als "Friedrich März" angekündigt worden war. Die Zeiten sind lange vorbei. Wobei er keineswegs von allen in der CDU willkommen geheißen wurde. Im Rennen um den CDU-Vorsitz unterlag er zunächst Annegret Kramp-Karrenbauer. Wenn auch nur knapp. Ein Jahr später setzte sich Armin Laschet durch. Beide waren "Merkelianer", während Merz vor allem für die Abkehr vom Mitte-Kurs der Bundeskanzlerin stand.

Mit 66 Jahren fing der Vorsitz an

Seine Stunde kam nach der verlorenen Bundestagswahl. Bei einer Umfrage in der Partei sprachen sich rund zwei Drittel für den Rückkehrer aus. Ein überzeugendes Ergebnis, das der Parteitag kurz darauf bestätigte. Merz hatte es im dritten Anlauf geschafft: endlich CDU-Vorsitzender, mit 66 Jahren. Kurz darauf übernahm er auch den Fraktionsvorsitz der Union im Bundestag und hatte damit die Bühne, die er brauchte. Nach den Jahren der Großen Koalition kam wieder Leben in die Bude. Merz zeigte sich angriffslustig und schaffte es ein ums andere Mal, Kanzler Olaf Scholz zu leidenschaftsähnlichen Ausbrüchen zu bewegen.

Seine erste Aufgabe meisterte Merz: Die Scherben der CDU nach der verlorenen Bundestagswahl wieder zusammenzufegen und die Partei wieder aufzurichten. Doch der steckte nicht nur ein verkorkster Wahlkampf in den Knochen. Viele wussten gar nicht mehr, wofür die Partei eigentlich steht. Die Wehrpflicht war abgeschafft, der Atomausstieg besiegelt und die Ehe für alle beschlossen. Merz beauftragte Carsten Linnemann, mittlerweile Generalsekretär, damit, ein neues Grundsatzprogramm zu erarbeiten. Der Weg war zwar nicht das Ziel, aber der Weg tat der Partei gut. In den zahlreichen Arbeitsgruppen entstand etwas, was viele schon fast nicht mehr kannten: Aufbruchstimmung.

Heute steht die CDU bestens da - zumindest auf den ersten Blick. In Umfragen ist sie stärker als die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP zusammen. Tatsächlich waren die Werte seit der Bundestagswahl nie besser. Das ist zuvorderst Merz' Verdienst. Er hat die Partei wieder zusammengeführt, wiedererkennbar gemacht und zugleich staatstragende, aber konstruktive Opposition gemacht. Das war keineswegs selbstverständlich. Ende 2021 blickte die Partei in einen Abgrund. Andere christdemokratische oder Mitte-Rechts-Parteien in Europa hatten sich in ähnlicher Lage komplett zerlegt. Sei es in Frankreich oder Italien.

Wer Chef der CDU ist, der hat das "Erstzugriffsrecht" auf die Kandidatur. Ein Wort, das es nur in dieser Partei gibt und viel über ihr Selbstverständnis aussagt. Aber aus Sicht vieler in der CDU hat sich Merz das auch verdient - trotz mancher Kontroversen. Bei Markus Lanz sprach er mal von "kleinen Paschas" und handelte sich damit einigen Widerspruch ein. Dafür, dass er Ukrainern "Asyltourismus" vorwarf, entschuldigte er sich. Doch das ist schon wieder eine Weile her. In diesem Jahr scheint Merz einen Lauf zu haben. Patzer gab es keine größeren und eine vernichtende Titelgeschichte im "Spiegel" schadete ihm nicht nachhaltig.

SPD hat sich ihn gewünscht

Doch es gibt auch kritische Stimmen. So desolat wie die Ampelkoalition sich derzeit präsentiert, wäre da nicht mehr drin als 30 Prozent plus ein bisschen? Merz' größte Stärke ist auch seine größte Schwäche: Er polarisiert. Manche finden ihn super, andere lehnen ihn radikal ab. Muss ein Bundeskanzler nicht auch zusammenführen? Kann Merz das? SPD- oder Grünen-Wähler werden jedenfalls kaum sagen: "Eigentlich wähle ich nicht CDU, aber für Merz mache ich eine Ausnahme."

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In der SPD haben sie sich jedenfalls den Kanzlerkandidaten Merz gewünscht. Ein leichter Gegner sei er, meinen sie. Das zeigt sich ein ums andere Mal im Trendbarometer von RTL und ntv. Gerade einmal 26 Prozent wünschen ihn sich derzeit als Kanzler. Sein Glück ist: Bei Scholz sieht es nicht besser aus. Und SPD und Grüne haben ohnehin genug eigene Baustellen. Merz muss gar nicht brillieren, um die Wahl zu gewinnen. So wie es jetzt aussieht, reicht es, die Fuhre sicher nach Hause zu bringen.

Und doch richtet sich ab jetzt ein ganz neuer Scheinwerfer auf Merz. Jetzt ist er Kanzler im Wartestand. Jetzt beginnt ein Marathon, der am 28. September 2025 im Kanzleramt enden soll. Die beste Ausgangsposition hat er. Aber die hatte Armin Laschet 2021 auch, bevor ein gewisser Markus Söder ihm ständig in die Suppe spuckte. Aber diesmal soll ja alles anders werden.

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