Jeden Tag Zoff, die Stimmung mies – wenn sich Kollegen nicht verstehen, kann ein Team zerfallen. Businesscoach Dr. Gerhard Helm weiß, was Chefs tun können und welche Fehler sie unbedingt vermeiden sollten.
Herr Dr. Helm, was macht ein gutes Team aus?
Eine offene, wertschätzende Kommunikation ist wichtig und eine klare Rollenverteilung, bei der jeder weiß, wofür er zuständig ist. Aber auch die Bereitschaft, mal für einen anderen einzuspringen und zu unterstützen, gehört dazu. Und ein Punkt, der in den vergangenen Jahren immer mehr in den Vordergrund rückt: psychologische Sicherheit. Also zu wissen, dass niemand emotionale Verletzungen zu fürchten hat, wenn mal etwas nicht richtig verstanden oder Kritik geäußert wurde.
Klingt schön, in manchen Teams knirscht es allerdings gewaltig. Was kann der Chef tun, wenn sich die Teammitglieder nicht (mehr) grün sind?
Klärungsgespräche initiieren, Mediationsgespräche führen, Teamworkshops organisieren.
Wie würde so ein Teamworkshop aussehen? Gemeinsam aus dem Flugzeug springen?
Es gibt zwei Elemente. Das erste ist das Kennenlernen, einfach mal etwas gemeinsam tun abseits des Arbeitsplatzes. Das kann schon ein Feierabendbier in der Bar sein. Das andere ist der Austausch über die Arbeit: Was ist das gemeinsame Ziel? Was läuft gut? Was läuft schlecht? Wo gibt es Verbesserungsbedarf? Es ist Aufgabe der Teamleiter, solche Workshops zu initiieren und darin zum Beispiel auch auf Dinge hinzuweisen, die nicht funktionieren. Wenn sie das Team selbst nicht mehr ganz im Griff haben, sollten sie sich externe Hilfe dazuholen.Wie geht man damit um. wenn man im Job kleingehalten wird? 9:20
Manchmal verpassen Chefs jedoch den Moment des Einschreitens, und die Fronten verhärten sich.
Das Problem ist meistens, dass zu lange gewartet wird, bis dann der Konflikt eskaliert. Wenn die Fronten einmal verhärtet sind, ist es ganz schwer, da wieder rauszukommen. Eigentlich wäre es wichtig, Konflikte zu suchen, zu sagen: Schaut her, wir haben hier ein Problem, darüber sollten wir reden. Das gilt für den Einzelnen, aber auch die Leitungsebene. Konflikte zu verstecken, führt meistens zum Gegenteil.
Können mit den richtigen Maßnahmen alle Teams gerettet werden?
Ich würde nicht sagen, dass immer alles wiederhergestellt werden kann. Dass sich aber ein Team komplett auflöst, ist selten. Man braucht die Leute ja. Oftmals wäre es allerdings besser, wenn einzelne Personen ausgetauscht würden. Auch das lieber früher als später. Ich kenne viele Teams, da ist es eigentlich schon zu spät. Da ist noch jemand dabei, der schon längst hätte gehen sollen. Es ist eben auch schwierig mitzuteilen: Du spielst jetzt nicht mehr bei uns mit!
Menschen sind verschieden. Gibt es Charaktereigenschaften, die in Teams fast zwangsläufig für Streit sorgen?
Egoismus. Also wenn Menschen nicht auf das gemeinsame Ziel schauen, sondern nur auf den eigenen Vorteil bedacht sind. Unzuverlässigkeit ist auch ungünstig. Unzuverlässigkeit ist ein Totengräber des Vertrauens. Vertrauen ist in der Zusammenarbeit wichtig. Man muss sich darauf verlassen können, dass der andere seine Arbeit erledigt oder auch einmal etwas für sich behält und nicht bei der nächsten Gelegenheit gegen einen verwendet. Und dann gibt es noch Menschen, die eigentlich Teamplayer sind, gleichzeitig aber auch im negativen Sinne dominant. Nicht die Dominanz, bei der jemand einfach mehr Aufgaben übernimmt, weil er vorankommen will. Sondern die, bei der ein Teammitglied denkt, es sei besser als andere, mehr wert und zum Beispiel Kollegen in Konferenzen gern totredet. Es ist Aufgabe der Führungskraft, so etwas nicht zuzulassen und es nicht etwa so weit kommen zu lassen, dass jemand kündigt, weil er diesen einen Kollegen einfach nicht mehr länger ertragen kann.
Ein gängiger Fall: Ein Kollege ist der Liebling des Chefs, inklusive Vorzugsbehandlung, während andere die Drecksarbeit machen müssen. Die Wut wächst. Wie geht man mit einer solchen Ungerechtigkeit im Team um?
Natürlich ist das schlecht für die Stimmung, wenn sich einer einen faulen Lenz macht. Das sollte man möglichst früh sachlich beim Chef ansprechen. Sollte es trotzdem nicht besser werden, muss man es notfalls eskalieren lassen und sich an die nächsthöhere Stelle oder die Personalabteilung wenden.
Haben solche Konflikte Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Teams?
Fast notwendigerweise. Kleine wie große Zwiste haben automatisch Auswirkungen auf die Produktivität. Ein Team sollte an einem Strang ziehen. In dem Moment, in dem man sich mehr damit beschäftigt, wer wann was gesagt hat oder warum einer etwas darf und ich nicht, werden Kapazitäten gebunden. Manchmal entsteht dadurch ein Teufelskreis. Dinge bleiben liegen, das Teamergebnis verschlechtert sich, es gibt Ärger, der Druck wächst – und so schaukelt sich das hoch.Zur Person Dr. Gerhard Helm
Und was, wenn die Probleme im Team so schlimm werden, dass man nur noch mit Bauchschmerzen zur Arbeit geht?
Ab einem gewissen Punkt muss man sich überlegen, ob es nicht besser ist, zu gehen. Vor allem dann, wenn die Situation bereits psychisch belastend ist, man nachts nicht mehr schlafen kann. Manche übergeben sich morgens, wenn sie wissen, sie müssen zur Arbeit. In solchen Fällen sollten sich Betroffene auch professionelle Hilfe suchen.
Sagen Sie, ist am Ende vielleicht doch der Chef schuld, wenn ein Team kaputt geht?
Es sind schon beide Seiten. Das Unternehmen in Gestalt der Führungskraft muss den richtigen Rahmen bereitstellen. Als Einzelner kann ich nicht hingehen und einen Teamworkshop organisieren. Es muss schon der Chef dafür sorgen, dass regelmäßig miteinander über die Zusammenarbeit gesprochen wird, Konflikte angesprochen werden, es keine Günstlingswirtschaft gibt. Er sollte der Manager sein, der alles dafür tut, dass das Team funktioniert und gut arbeiten kann. Natürlich sind aber auch die Teammitglieder gefragt. Stellen die sich quer, kann auch der beste Chef nichts machen.