3 months ago

Bundestag kurz vor Abstimmung: Was für und was gegen ein AfD-Verbotsverfahren spricht



Eine fraktionsübergreifende Gruppe von Bundestagsabgeordneten will ein Parteiverbotsverfahren gegen die AfD in Gang bringen. Der Antrag attestiert den Rechtspopulisten zahlreiche Verstöße gegen die Menschenwürde, unter anderem durch die Forderung nach Remigration oder Äußerungen aus der AfD, welche die Menschenwürde von Migranten, Muslimen und sexuellen Minderheiten verletzten. Der Bundestag könnte sich damit in Bälde mit dieser Frage befassen. Doch die Hürden für ein Parteiverbot sind hoch - und ein solches Verfahren gegen die in den jüngsten Wahlen deutlich erstarkte AfD wäre mit vielen Unwägbarkeiten behaftet. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wer kann ein Parteiverbot beantragen?

Beantragen können solch ein Verbot die Verfassungsorgane Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung. Darüber entscheiden kann aber nur das Bundesverfassungsgericht. Für ein Verbot notwendig ist dann eine Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Karlsruher Gerichtssenats.

Welchen Weg wählt die aktuelle Initiative?

Die Initiatorinnen und Initiatoren wollen einen Antrag des Bundestags beim Verfassungsgericht einreichen. Den Text für die erforderliche Entschließung wollen sie demnächst dem Plenum als sogenannten Gruppenantrag, der von einzelnen Abgeordneten unterschiedlicher Fraktionen getragen wird, vorlegen. Um einen solchen Gruppenantrag im Bundestag einzubringen, sind fünf Prozent der Abgeordneten erforderlich, aktuell also 37. Zustimmen müsste dem Antrag dann eine einfache Mehrheit der Parlamentarier.

Was sind die Voraussetzungen für ein Parteiverbot?

Eine Partei kann in Deutschland laut Artikel 21 Grundgesetz nur verboten werden, wenn sie die "freiheitlich demokratische Grundordnung" beeinträchtigen oder beseitigen will. In einem Urteil von 1956 fordert Karlsruhe dafür eine "aktiv kämpferisch-aggressive Haltung", mit der diese Ordnung beseitigt werden soll. Zudem muss es laut Gericht konkrete Anhaltspunkte dafür geben, dass ein Erreichen der verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele nicht völlig aussichtslos erscheint.

Welche Parteiverbote gab es bisher?

Seit Gründung der Bundesrepublik wurden zwei Parteien verboten: 1952 die Sozialistische Reichspartei, die 1949 als Sammelbecken für Ex-Mitglieder der NSDAP gegründet worden war, und 1956 die stalinistische Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).

Ein Verbot der rechtsextremen NPD hatte das Bundesverfassungsgericht Anfang 2017 abgelehnt. Karlsruhe attestierte der Partei damals zwar verfassungsfeindliche Ziele. Sie sei aber zu unbedeutend, um die Demokratie zu gefährden. Ein erstes Verbotsverfahren gegen die NPD, die sich inzwischen in "Die Heimat" umbenannt hat, war 2003 ohne Entscheidung eingestellt worden. Denn damals war bekannt geworden, dass wichtige Ämter der Partei mit Vertrauensleuten der Verfassungsschutzbehörden besetzt waren.

Wie argumentieren die Befürworter eines Verbotsverfahrens gegen die AfD?

Die Initiatoren werfen der AfD in dem Bundestagsantrag vor, die freiheitlich-demokratische Grundordnung abschaffen zu wollen und gegenüber dieser Grundordnung eine "aktiv kämpferisch-aggressive Haltung" einzunehmen. Zudem attestiert der Gruppenantrag der AfD zahlreiche Verstöße gegen die Menschenwürde aus Artikel 1 des Grundgesetzes - so etwa die Forderung nach Remigration oder Äußerungen aus der AfD, welche die Menschenwürde von Migranten, Muslimen und sexuellen Minderheiten verletzten. Das Verfassungsgericht soll deshalb gemäß Artikel 21 feststellen, dass AfD verfassungswidrig sei. Hilfsweise soll vom Verfassungsgericht festgestellt werden, dass die AfD von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen wird.

Nach den Ereignissen im Thüringer Landtag vergangene Woche hatte bereits der CDU-Bundestagsabgeordnete und frühere Ostbeauftragte Marco Wanderwitz auf ein Verbotsverfahren gepocht. "Der Auftritt der AfD im Thüringer Landtag folgte ein weiteres Mal dem Drehbuch der Verächtlichmachung der parlamentarischen Demokratie und ihrer Institutionen", sagte Wanderwitz der "taz". Die AfD tue dies planvoll und wirkmächtig. "Es bedarf dringend eines Verbotsverfahrens beim Bundesverfassungsgericht, wie es das Grundgesetz in Artikel 21 vorsieht", sagte der sächsische Abgeordnete.

Zuvor hatte bereits Thüringens Innenminister Georg Maier in der turbulenten ersten Landtagssitzung weitere Belege für die Möglichkeit eines AfD-Verbotsverfahrens ausgemacht. Die Ereignisse hätten gezeigt, dass die AfD aggressiv kämpferisch gegen den Parlamentarismus vorgehe, schrieb er auf X.

Ähnlich argumentierte die Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic. "Die Vorgänge in Thüringen haben erneut den faschistoiden Charakter der AfD offengelegt", sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Mihalic räumte allerdings ein, dass es für ein Parteiverbot in Deutschland hohe Hürden gebe. "Wir dürfen keine Fehler machen, die Feinde der Verfassung durch ein unsauberes Vorgehen auch noch zu stärken", sagte sie. Daher sollten alle relevanten Akteure in Bund und Ländern bei einem Verbotsverfahren "die anstehenden Fragen eingehend miteinander besprechen". Mihalic warnte vor einer konkreten Gefahr: "Wenn die AfD die Möglichkeit bekommt, wird sie wesentliche Bestandteile unseres demokratischen Rechtsstaates zerstören und außerdem Deutschland zu einem Satelliten Putins machen."

Welche Argumente haben die Gegner?

Kritiker eines Verbotsverfahrens warnen, dass die AfD dadurch eine Art Märtyrerrolle einnehmen könnte - und letztlich gestärkt werde. Ein solches Verfahren würde Bürgerinnen und Bürger "in die Arme der AfD treiben", warnte etwa die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission, Gesine Schwan, im "Tagesspiegel". "Ein Verbotsantrag wäre jetzt politisch kontraproduktiv." Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann hatte kürzlich auf die Risiken eines Verbotsverfahrens verwiesen: "Würde ein solches Verfahren vor dem Verfassungsgericht scheitern, wäre dies ein gewaltiger PR-Sieg für die Partei." Bundeskanzler Olaf Scholz hatte Ende Mai klargemacht, dass für ihn ein Parteiverbot der AfD derzeit kein Thema sei. Ein Parteiverbot sei "eine ganz schwierige Sache in einer Demokratie", für das es sehr hohe Hürden gebe.

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