Die angegriffene Ukraine soll weiter auf Deutschland zählen können. Doch im Haushalt ist weniger Geld vorgesehen. Man setzt auf ein wackliges Instrument.
Deutschland soll nach dem Willen der Bundesregierung trotz klammer Kassen einer der wichtigsten Unterstützer der von Russland angegriffenen Ukraine bleiben. "Deutschland ist weiter absolut engagiert, und es gilt weiter das Wort des Kanzlers, dass die Unterstützung der Ukraine so lange fortgesetzt wird, wie das nötig ist, und dass niemand, vor allem auch nicht der russische Präsident, darauf hoffen kann, dass wir darin nachlassen", betonte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner in Berlin.
Allerdings soll die bisherige bilaterale Hilfe aus dem Bundeshaushalt teilweise auf multilaterale Unterstützung umgestellt werden. Und das steht auf wackligen Beinen, denn die internationalen Pläne sind noch nicht endgültig gesichert. Wie genau Deutschland die Ukraine im kommenden Jahr unterstützen kann - und ob das ausreichen wird -, ist damit völlig ungewiss.
Wie viel Militärhilfe Deutschland zahlt
Die Bundesrepublik ist nach den USA der zweitgrößte Geldgeber der Ukraine. Etwa 7,5 Milliarden Euro hat die Ampel-Regierung in diesem Jahr für "Ertüchtigung", also Militärhilfe, eingeplant. Doch schon jetzt ist klar, dass das knapp kalkuliert war: Laut Verteidigungsministerium ist fast alles schon ausgegeben oder verplant.
Ob schon in diesem Jahr mehr Geld gebraucht wird, ist umstritten. Einem "Spiegel"-Bericht zufolge bat Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) schon vor Wochen informell um eine Aufstockung in Höhe von fast vier Milliarden. Ein Sprecher seines Ministeriums kommentierte das aktuell nicht. Laut Finanzministerium liegt keine offizielle Bedarfsmeldung vor.
Für das kommende Jahr sind im Bundeshaushalt derzeit nur vier Milliarden Euro Militärhilfe vorgesehen. Das war beim Haushalt 2024 genauso - der Titel wurde später durch den Bundestag aufgestockt. Diesen Spielraum sehen Haushälter für 2025 wegen des engen Haushaltsplans aber nicht.
Finanzministerium: Extra-Geld nur mit gutem Grund
Finanzminister Christian Lindner (FDP) schrieb deshalb einen warnenden Brief an Pistorius und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Neue Maßnahmen mit Zahlungsverpflichtungen in den nächsten Jahren, heißt es darin, dürften nur eingegangen werden, wenn in den Haushaltsplänen "eine Finanzierung gesichert ist". Lindners Erwartung: "Bitte stellen Sie sicher, dass die Obergrenzen eingehalten werden."
Später ergänzte das Lindner-Ministerium, man könne kurzfristig prüfen, ob zusätzliches Geld möglich sei. Allerdings müsse der Bedarf "konkret gemeldet und nachvollziehbar sein", damit man den Bundestag um weitere Mittel bitten könne.
Hoffen auf eine unfertige neue Geldquelle
Weniger bilaterale Unterstützung bedeutet nach Rechnung von Kanzleramt und Finanzministerium auch nicht automatisch weniger Hilfe für die Ukraine. Denn die großen westlichen Industriestaaten sind gerade dabei, ein neues Finanzierungskonzept für das angegriffene Land auf die Beine zu stellen.
Im nächsten Jahr soll die Ukraine einen Kredit über 50 Milliarden Dollar bekommen. Zinsen und Tilgung sollen aus den Erträgen eingefrorener russischer Staatsvermögen gestemmt werden. In westlichen Ländern wurden seit dem russischen Angriff auf die Ukraine nach Angaben der US-Regierung rund 280 Milliarden US-Dollar (rund 260 Milliarden Euro) an russischen Zentralbankgeldern eingefroren. Der weitaus größte Anteil befindet sich innerhalb der Europäischen Union: nach Kommissionsangaben rund 210 Milliarden Euro. Das festgesetzte Geld wirft jährlich Zinserlöse in Milliardenhöhe ab.
Das Problem: Die Gespräche für das Kreditprojekt laufen bereits seit Monaten - doch festgezurrt ist noch nichts. "Wir gehen davon aus, dass das bis Ende 2024 gelingt", heißt es in der Bundesregierung. Verbindlich mit dem Geld planen kann die Ukraine aber eigentlich nicht. Und der Kreml wertet die Nutzung der Erträge als Enteignung.
"Es wird eine neue Finanzierung - ich sage mal wohl und wahrscheinlich - geben", sagte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) bei einem Termin in Hamburg. Die Ukraine bekomme dann nicht Waffen geschenkt, sondern sie bekomme Geld und könne sich damit Waffen kaufen. Das sei völlig in Ordnung, der Übergang dürfe aber nicht zu einer monatelangen Unterbrechung der Unterstützung führen, warnte er.
Welches Signal sendet die Regierung?
Das Vorgehen der Bundesregierung stößt auf heftige Kritik - auch innerhalb der Ampel. Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses des Auswärtigen, der Sozialdemokrat Michael Roth, sprach in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe von einem fatalen Signal der Bundesregierung in Richtung Ukraine. Der 50-Milliarden-Kredit sei bei Weitem nicht genug.
Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äußerte sich ungewöhnlich deutlich: Er erwarte, "dass Deutschland ein großer, europäisch größter Unterstützer der Ukraine bleibt", sagte er am Rande eines Besuchs in Ungarn.
Die Bundesregierung bemühte sich um Beruhigung und aktualisierte ihre Liste mit Lieferungen militärischer Ausrüstung an die Ukraine. Bis Jahresende sollten noch vier Iris-T-Luftverteidigungssysteme mit unterschiedlichen Reichweiten geliefert werden, kündigte Büchner an. Dazu kämen zehn Gepard-Flugabwehrpanzer, 16 Panzerhaubitzen, 10 Leopard-Kampfpanzer, Kampfdrohnen und mehrere Tausend Schuss Artillerie und Panzermunition.
Auch für das kommende Jahr seien der Ukraine mehr als 20 Panzerhaubitzen, 20 Schützenpanzer vom Typ Marder, 37 Leopard-Kampfpanzer, fünf Gepard-Flakpanzer, sechs weiteren IRIS-T-Systeme sowie mehrere tausend Schuss Artillerie- und Panzermunition zugesagt. "Und deshalb gibt es von der Regierung her überhaupt keine Botschaft, die da heißt, die Unterstützung wird reduziert oder sonst wie eingeschränkt."
Bundesregierung zur Militärhilfe