3 months ago

BRICS-Gipfel in Kasan: Putins Gegengewicht zum Westen fehlt die Einheit



Wladimir Putin dringt seit Langem darauf, die BRICS als Gegengewicht zum Westen aufzubauen. Doch so recht gelingen will dies bislang nicht. Bei einem neuerlichen Gipfel kommen die großen globalen Themen auf die Tagesordnung. Am Ende steht ein vages Abschlussdokument.

Die Staats- und Regierungschefs der BRICS-Staaten rund um China, Indien und Russland haben bei ihrem Gipfeltreffen einen deutlich wachsenden Einfluss der Gruppe in der Weltpolitik vorausgesagt. In einem im Tagungsort im zentralrussischen Kasan verbreiteten Abschlussdokument wurden zudem zahlreiche künftige Projekte von einer Getreidebörse über Künstliche Intelligenz bis hin zu einem grenzüberschreitenden Zahlungssystem skizziert.

Mit Blick auf den Westen hieß es zudem, man sei zutiefst besorgt über den negativen Einfluss unrechtmäßiger Sanktionen auf die Weltwirtschaft und beunruhigt über die anhaltenden Konflikte im Nahen Osten und in Nordafrika. Zum Krieg Russlands gegen die Ukraine hieß es, es gebe "nationale Vorschläge" zur Vermittlung.

Der russische Präsident und Gastgeber Wladimir Putin dringt seit Langem darauf, die BRICS als Gegengewicht zum Westen in der Weltpolitik und im Handel aufzubauen. Die Gruppe hat ihren Namen aus den fünf ersten Mitgliedern Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Inzwischen wurden auch Ägypten, Äthiopien, Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate aufgenommen.

Aktuell steht die BRICS vor allem wegen der Größe Chinas und Indiens für etwa 45 Prozent der Weltbevölkerung und 35 Prozent der Weltwirtschaft - mehr als etwa die Gruppe G7 der westlichen Industriestaaten. Putin sagte, aktuell wollten mehr als 30 weitere Staaten Mitglied werden. Es sei aber wichtig, bei jeder Erweiterung ein Gleichgewicht zu finden. Zu den Bewerbern zählt unter anderem das NATO-Mitglied Türkei. Laut Putin nahmen rund 30 Staats- und Regierungschefs an dem Gipfel in Kasan teil.

Xi und Modi raufen sich zusammen

Das 43-seitige Abschlusskommuniqué des Gipfels ging etwa auch auf Drogen oder den Erhalt von Großkatzen ein, ließ aber bei einigen wichtigen Themen Details vermissen. Das liegt auch daran, dass das vom Westen geächtete Russland sich aus Angst vor weiteren US-Sanktionen davor hütet, zu viele Details über seine Finanz- und Handelsbeziehungen zu nennen. Das Kommuniqué deutet aber darauf hin, dass es bei einem seit Langem anvisierten alternativen Zahlungssystem kaum Fortschritte gibt. Dieses soll den BRICS-Ländern helfen, unter Umgehung des vom Dollar dominierten globalen Finanzsystems miteinander zu handeln.

Putin versuchte aber, die Stärke der BRICS herauszustellen. So werde das durchschnittliche Wirtschaftswachstum der Staaten 2024/25 bei 3,8 Prozent liegen, verglichen mit 3,2 bis 3,3 Prozent weltweit. "Der Trend zur führenden Rolle der BRICS in der Weltwirtschaft wird sich noch verstärken", sagte Putin. Schlüsselfaktoren seien Bevölkerungswachstum, Urbanisierung, Kapitalakkumulation und Produktivitätswachstum.

Russland als weltgrößter Weizenexporteur schlug die Einrichtung einer BRICS-Getreidebörse mit späterer Ausweitung etwa auf Öl, Gas und Metalle vor. Dies werde zu fairen und vorhersehbaren Preisen für Produkte und Rohstoffe beitragen, was für die weltweite Ernährungssicherheit wichtig sei. Die nationalen Märkte würden vor negativer Einmischung von außen und auch vor Versuchen geschützt, Nahrungsmittel künstlich knapp zu halten, hieß es.

Unter den BRICS-Ländern haben vor allem die Schwergewichte China und Indien ein schlechtes Verhältnis. Daher trafen sich am Rande des Gipfels auch Chinas Präsident Xi Jinping und Indiens Ministerpräsident Narendra Modi zu ihren ersten formellen Gesprächen seit fünf Jahren. Sie signalisierten damit, dass sich die Beziehungen allmählich von dem Bruch erholen, der durch militärische Konflikte mit Toten an ihrer umstrittenen Himalaya-Grenze verursacht wurde. Indien hat die Verbesserung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen von einer Lösung des Grenzkonflikts abhängig gemacht.

Putin nimmt Vermittlungsangebote im Ukraine-Krieg zur Kenntnis

Bereits am Dienstag hatte Xi zum Auftakt des Gipfels seine Verbundenheit mit Putin bekräftigt. Die Freundschaft zwischen beiden Ländern werde über Generationen hinweg fortbestehen, hatte er im Beisein des Kremlchefs erklärt. Die USA und andere westliche Länder drängen Xi seit geraumer Zeit, den von ihnen wegen des Einmarsches in der Ukraine als Kriegsverbrecher bezeichneten Putin zur Beendigung des Ukraine-Krieges aufzufordern. Das geschah in gewissem Maße in Kasan.

So sprachen sich sowohl China als auch Indien für einen Frieden in der Ukraine aus - allerdings ohne Russland als Verantwortlichen zu nennen. Putin habe die Vermittlungsangebote "positiv" aufgenommen, erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Es brauche drei Prinzipien, um die "Situation" in der Ukraine "so schnell wie möglich zu beruhigen", sagte Xi Jinping zum offiziellen Gipfelbeginn: "Keine Ausweitung des Schlachtfelds, keine Eskalation der Kämpfe und keine Provokationen von einer der beiden Seiten."

Modi hatte zuvor betont, dass er alle Anstrengungen unterstütze, "um schnell wieder Frieden und Stabilität herzustellen". Nach Angaben von Peskow bedankte sich Gastgeber Putin für die Ukraine-Vermittlungsangebote seiner BRICS-Kollegen und lobte die "positive Dynamik" an der Front in der Ukraine.

Die Ukraine deutete die Verlautbarungen aus Kasan als Zeichen der mangelnden Unterstützung für die russische Invasion in der Ukraine. "Der BRICS-Gipfel, den Russland dazu nutzen wollte, um die Welt zu spalten, hat einmal mehr gezeigt, dass der größte Teil der Welt an der Seite der Ukraine und ihren Bemühungen um einen umfassenden, gerechten und dauerhaften Friedens steht", teilte das Außenministerium in Kiew mit.

Iran spricht von "geschätztem Nachbarn" Russland

Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, der wegen eines häuslichen Unfalls nicht nach Russland gereist war, rief per Videobotschaft und auch in Bezug auf den Krieg im Nahen Osten zu einer verstärkten Zusammenarbeit auf "angesichts zweier Kriege, die sich global ausweiten könnten".

In Bezug auf den Konflikt zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas sowie der pro-iranischen Hisbollah-Miliz im Libanon gaben die BRICS-Staaten eine gemeinsame Erklärung heraus. Darin forderten sie das "sofortige Ende" israelischer Angriffe auf die libanesische UN-Mission UNIFIL. Zudem müsse Israel die territoriale Integrität des Libanons erhalten.

Der ebenfalls nach Kasan gereiste iranische Präsident Massud Peseschkian rief die BRICS-Partner dazu auf, "ihre gesamten kollektiven und individuellen Fähigkeiten" für ein Ende des Krieges im Gazastreifen und im Libanon einzusetzen. Mit dem "geschätzten Nachbarn" Russland verbinde sein Land eine "unumgängliche" strategische Partnerschaft, sagte er weiter. Dem Iran wird vorgeworfen, Russland mit der Lieferung von Drohnen und Kurzstreckenraketen zu unterstützen. Bei einem Zweiertreffen am Rande des Gipfels erklärte Putin, die "wirklich freundschaftlichen" Beziehungen zu Teheran verstärken zu wollen.

Experte: BRICS bisher wenig erreicht

Der ehemalige Chefökonom des US-Großbank Goldman Sachs, Jim O'Neill, der im Jahr 2001 für die Gruppe den Begriff "BRIC" - damals noch ohne Südafrika - in einem Papier eingeführt hatte, warnte unterdessen vor einer Überhöhung der Gruppe. "Die Idee, dass BRICS ein echter globaler Wirtschaftsklub sein könnte, ist genauso abwegig wie die der G7", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters.

Es sei vor allem ein symbolisches jährliches Treffen, bei dem wichtige Schwellenländer zusammenkommen und betonen könnten, wie gut es sei, Teil von etwas zu sein, an dem die USA nicht beteiligt seien. Tatsächlich hätten die BRICS als Gruppe in den vergangenen 15 Jahren nur sehr wenig erreicht. Es sei aber auch nicht möglich, wirklich globale Probleme ohne die USA und Europa zu lösen - so wie es für den Westen unmöglich sei, echte globale Probleme ohne China, Indien und in geringerem Maße auch ohne Russland und Brasilien zu lösen.

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