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Boxkampf: Mike Tyson vs. Jake Paul – auf welchen Sieger ein Mediziner tippt



Siegt der erfahrene Mike Tyson oder doch Jake Paul mit seiner jugendlichen Energie? Der Neurologe Andreas Gonschorek wagt einen Tipp, wer den Boxkampf gewinnt. 

Herr Dr. Gonschorek, heute Nacht boxt der 58-jährige Mike Tyson gegen den 30 Jahre jüngeren Jake Paul. Wie wichtig ist die Erfahrung in so einem Kampf? 
Mike Tyson hat ja auf höchstem Niveau geboxt. Die notwendigen Bewegungsmuster und insbesondere die Kampferfahrung sind bei ihm nach wie vor vorhanden. Diese lassen sich auch mit 58 Jahren relativ kurzfristig durch Training wieder reaktivieren. Aus meiner Sicht dürfte er, was die Boxqualität angeht, Jake Paul also deutlich überlegen sein. Mike Tyson vs. Jake Paul 11.22

Was folgt daraus für den Verlauf des Fights? 
Wenn Tyson die Möglichkeit bekommt, in den ersten Runden entsprechende Treffer zu landen und seine Erfahrung auszuspielen, dann dürfte er mit dem Gegner eigentlich wenig Probleme haben. Wenn der Kampf länger dauert, kann Paul sicherlich seine physischen Qualitäten ausspielen. Kasteb Andreas Gonschorek

Für diesen Kampf wurden die Regeln für Profiboxen abgeändert. Statt zwölf Runden à drei Minuten sind nur acht Runden à zwei Minuten angesetzt. Spielt das Tyson in die Hände? 
Ich glaube für Tyson ist es von Vorteil, wenn der Kampf kürzer ist als üblicherweise. Für jede Sportart gibt es eine natürliche Altersgrenze, ab der die Kondition nachlässt. Das gilt auch für den Boxsport.

Mike Tyson gegen Jack Paul: Wie groß ist das Risiko?

Der renommierte Mediziner Stephen Hughes rät Tyson, den Kampf abzusagen, weil das Risiko einer schweren Gehirnverletzung zu groß sei. Wie gefährlich ist es wirklich?
Der Kollege bezieht sich darauf, dass sich das Hirnvolumen im Alter verringert und das Gehirn entsprechend weniger gut im Schädel geschützt ist. Das ist ein natürlicher Vorgang, der uns alle betrifft. Der meiste Abbau des Hirnvolumens findet jedoch erst nach dem 70. Lebensjahr ab, spielt also bei Tyson noch nicht die große Rolle. Natürlich birgt Boxen insgesamt ein erhebliches Risiko für Beeinträchtigungen des Gehirns. Gerade im Schwergewichtsboxen sind die Krafteinwirkungen auf den Kopf sehr hoch. Wenn der Schlag gut ausgeführt wird und den gegnerischen Kopf optimal trifft, dann führt das ja oft zum K.o.

Mit welchen Folgen?
Ein K.o. ist letztlich ein Schädel-Hirn-Trauma. Durch den Treffer und die Trägheit des Gehirns kommt es zu Beschleunigungen des Kopfes bis zum Hundertfachen der Erdbeschleunigung. Das kann zu bleibenden Hirnschädigungen führen. Dieses Risiko gehen beide ein. 

Sich gegenseitig auf den Kopf zu hauen, ist doch aus neurologischer Sicht bestimmt grundsätzlich keine gute Idee …
Das muss man differenziert betrachten. Natürlich gibt es im Boxsport Risiken für neurologische Spätfolgen. Muhammad Alis Parkinsonerkrankung ist dafür ja ein sehr prominentes Beispiel. Und es gibt auch ein erhöhtes Risiko, später an Demenz zu leiden. Das gilt aber auch für viele andere Sportarten. Andererseits wird gerade in den deutschen Boxverbänden sehr viel dafür getan, das Risiko zu minimieren. Wir am BG Klinikum Hamburg betreuen etwa die Amateurboxer der deutschen Olympiamannschaft. Unter anderem untersuchen wir, ob ein Boxer nach einem K.o. wieder in der Lage ist, in den Ring zu steigen. Grundsätzlich könnten Neurologen jedoch mehr tun, um Sportler zu begleiten und zu beraten. 

PAID Box-Weltmeisterin Tina Rupprecht 20.45

Was denn?
Zum Beispiel durch entsprechende neurologische Tauglichkeitsuntersuchungen. Wenn ein Sportler etwas mit dem Kreislauf hat, dann geht er zum Internisten. Wenn er eine Knieverletzung hat, dann geht er zum Orthopäden oder Sportmediziner. Aber das Nervensystem, das eben alles steuert, das findet immer noch kaum Beachtung. Dabei ist es für die Leistungsfähigkeit besonders wichtig. Das Gehirn vollbringt gerade beim Boxen eine dauernde Höchstleistung, es muss den Schlag des Gegners vorausahnen, es muss innerhalb von Millisekunden Entscheidungen treffen und in eine sinnvolle Bewegung umsetzen. Und dazu muss das Nervensystem natürlich fit sein, denn sonst handele ich mir den nächsten Schlag ein. Aber ich sehe kaum Kampfsportverbände oder auch einzelne Sportler, die das im Moment auf dem Plan haben. Aber es wäre sicherlich dringend notwendig.

Können Sie als Neurologe guten Gewissens Boxen gucken?
Aber ja, ich schaue mir auch Boxkämpfe an. Als Frühaufsteher bin ich wahrscheinlich morgen dabei.

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