Sorgen vor einer Rezession in den USA gelten als ein Auslöser für den Kursrutsch an den Märkten. Nun steigt der Druck auf die amerikanische Zentralbank, die Zinsen zu senken.
Als die globalen Aktienmärkte am 5. August einen "schwarzen Montag" erlebten – mit Kursstürzen, wie es sie schon seit Jahren nicht mehr gegeben hatte, da tauchte ein Faktor in vielen Erklärungen als möglicher Grund auf: eine drohende Rezession in den USA. Die Investmentbank Goldman Sachs hob die Wahrscheinlichkeit für ein solches Szenario von 15 auf 25 Prozent an, die Analysten der Großbank Wells Fargo sprachen von einer "Ausbremsung der Wirtschaft".
Und natürlich durfte auch Donald Trump nicht fehlen: Der republikanische US-Präsidentschaftskandidat warnte im eigenen sozialen Netzwerk Truth Social, falls seine Gegnerin Kamala Harris gewählt werde, drohe ein "Kamala-Crash und eine große Depression 2024".
Auf den ersten Blick wirkten diese Reaktionen ausschließlich seltsam: Die US-Wirtschaft hat im zweiten Quartal 2024 ein überraschend hohes Wachstum von 2,8 Prozent hingelegt, und das obwohl die Zentralbank mit recht harter Hand gegen die Inflation vorgeht. Die Zahl der Jobs in der Industrie ist stark angestiegen und hat sich zuletzt auf hohem Niveau stabilisiert. Und die Amerikaner gaben im zweiten Quartal deutlich mehr für Güter und Dienstleistungen aus als noch zu Beginn des Jahres.
Doch auch wenn sich die Märkte vorerst erholten und der wichtigste Grund für den Einbruch wohl die Änderung der Zinsdifferenz zwischen Japan und den USA war: Ganz von der Hand zu weisen sind die Risiken für die US-Wirtschaft nicht. Das Land hat eine historische Niedrigphase mit einer Arbeitslosenquote von unter vier Prozent hinter sich, aber die ist seit Mai vorbei. Tatsächlich steigt der Wert seitdem langsam aber stetig an. Ob die niedrige Zahl der im Juli neu hinzugekommenen Jobs nur ein statistischer Ausreißer war, muss sich zeigen – aber der Wert reichte aus, um eine Reihe von Marktteilnehmern in Unruhe zu versetzen.
Experten sehen noch keine Anzeichen für Rezession
Hinzu kamen weitere schlechte Signale: Der Index zur industriellen Aktivität des Institute for Supply Management fiel auf seinen niedrigsten Wert seit November 2023. Und die Stimmung der amerikanischen Verbraucher, gemessen von einem Team der Universität Michigan, ist seit einigen Monaten im Sinkflug.
Deutet all dies aber tatsächlich auf eine drohende Rezession hin? Die meisten professionellen Beobachter winken bisher noch ab. Holger Schmieding, Chefökonom der Berenberg Bank, spricht von "guten makroökonomischen Daten" und erwartet für 2024 ein Wachstum der US-Wirtschaft von 2,5 Prozent. Und auch bei Goldman Sachs, also dem Institut, das nun mit einer höheren Rezessions-Wahrscheinlichkeit rechnet, weist man darauf hin, dass das Risiko "begrenzt" sei. "Im Großen und Ganzen", sehe die US-Volkswirtschaft "gut" aus, schreibt ein Team unter Leitung des Ökonomen Jan Hatzius.
Wann sinken die Zinsen?
Ob das auch weiterhin so sein wird, könnte entscheidend von einem Zinsschritt der US-Notenbank abhängen. Seit Monaten wird aufmerksam beobachtet, wann die Fed ihren aktuellen Leitzins von 5,25 bis 5,5 Prozent absenken und damit der US-Wirtschaft unter die Arme greifen wird. Die Notenbanker hatten das bisher vermieden, auch mit Blick auf die lang anhaltende Inflationsrate von über drei Prozent. Inzwischen allerdings scheint das Problem eingehegt zu sein, ein Wert unterhalb der Dreiprozentmarke könnte bald erstmals seit Mai 2021 wieder erreicht werden.
Der den regierenden Demokraten nahestehende Starökonom Paul Krugman schrieb in seiner Kolumne in der "New York Times": "Es steht bereits fest, dass die Fed einen Fehler gemacht hat als sie den Zins vorige Woche nicht gesenkt hat. Tatsächlich hätte sie wahrscheinlich schon vor Monaten damit anfangen sollen." Der Wirtschafts-Nobelpreisträger verglich die US-Wirtschaft mit einem Patienten, dem ein Diabetes-Risiko attestiert wird. Die schlechte Nachricht: Die Ärzte sehen ausreichend Warnsignale für eine drohende Erkrankung. Die gute: Es ist noch Zeit, etwas dagegen zu tun.