Ohne seine Nutzer:innen zu informieren nutzt X/Twitter deren Daten für ein Sprachmodell, mit dem es einen Chatbot betreibt. Die irische Datenschutzbehörde stoppte das Vorgehen zunächst. Allerdings gehe das Verfahren am Kern des Problems vorbei, sagt die Datenschutzorganisation noyb.
Elon Musk bleibt sich treu: Um sogenannte Künstliche Intelligenz zu trainieren, nutzt das Social-Media-Unternehmen des rücksichtslosen Tech-Milliardärs seit einiger Zeit die Daten seiner Nutzer:innen – ohne diese zu fragen oder auch überhaupt aktiv zu informieren. Dagegen geht nun die österreichische Datenschutzorganisation Noyb rechtlich vor. Wie die NGO heute in einer Pressemitteilung bekanntgab, legte sie Beschwerden bei Datenschutzbehörden in neun europäischen Ländern ein.
Twitter, das Musk inzwischen in X umbenannt hat, trainiert mit den Daten offenbar „Grok“. Twitter selbst beschreibt das Programm als „dein humorvoller Such-Assistent“. Betrieben wird Grok von xAI, einem weiteren Unternehmen von Elon Musk. Vor einigen Wochen war Nutzer:innen aufgefallen, dass in ihren Einstellungen eine Option für die Datennutzung erschienen war. Neben direkten Interaktionen mit dem Chatbot sollten auch öffentliche X-Beiträge der Nutzer:innen für dessen Training verwendet werden. Das Häkchen für die Erlaubnis war vorausgewählt.
Zweifel an Datenschutzbehörde
Auf Druck der irischen Datenschutzbehörde DPC hatte Twitter vergangene Woche vor einem Gericht bereits zugestimmt, vorerst keine weiteren Daten von EU-Bürger:innen für das Training von Grok zu verwenden. Doch noyb äußert Zweifel daran, dass die DPC das Problem wirklich bei der Wurzeln packen wird. Die Behörde scheine nur Randthemen anzugehen, scheue aber vor dem Kernproblem der fehlenden Einwilligung zurück, heißt in der Pressemitteilung.
„Die Gerichtsdokumente sind nicht öffentlich, aber aus der mündlichen Anhörung geht hervor, dass die Datenschutzbehörde nicht die Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung selbst in Frage gestellt hat“, so Max Schrems, Vorsitzender von noyb. „Es scheint, dass die DPC sich mit einer sogenannten ‚Risiko-Eindämmung‘ zufriedengibt und eher die mangelnden Kooperation von Twitter kritisiert.“
Offen bleibe zum Beispiel, was mit den Daten von EU-Bürger:innen passiere, die bereits in die Systeme eingespeist wurden. Twitter müsse außerdem erklären, wie es Daten EU- und Nicht-EU-Bürger:innen trennen könne. Da Twitter bereits mit der Verarbeitung der persönlichen Daten begonnen habe und es keine Möglichkeit gebe, die aufgenommenen Daten zu entfernen, hat noyb ein „Dringlichkeitsverfahren“ nach Artikel 66 DSGVO beantragt.
„Unser Ziel ist es, sicherzustellen, dass die zentralen rechtlichen Probleme im Zusammenhang mit Twitters KI-Training vollständig gelöst werden.“ Je mehr EU-Datenschutzbehörden sich an dem Verfahren beteiligen würden, desto größer werde der Druck auf Twitter und die irische Behörde, so noyb.
Die Bürgerrechtsorganisation legt sich in ihrem Kampf für Datenschutz immer wieder mit Aufsichtsbehörden an. Wiederholt krisierte noyb vor allem die irische Datenschutzbehörde für ihre Wirtschaftsfreundlichkeit und ging auch gerichtlich gegen sie vor. Kürzlich legte noyb auch Klage gegen den Hamburger Datenschutzbeauftragten ein, weil dieser im Streit um das Pur-Abo des Medienhauses SPIEGEL voreingenommen gewesen sei.
Auch Meta wollte Daten für KI nutzen
Daten von Social-Media-Nutzer:innen können von großem Wert für das Training sogenannter Künstlicher Intelligenz sein. Chatbots wie ChatGPT von OpenAI basieren auf riesigen Sprachmodellen, sogenannten Large Language Models. GPT4, das Sprachmodell hinter ChatGPT, wurde angeblich mit einem Petabyte an Daten trainiert, das entspricht etwa 500 Milliarden Seiten ausgedruckten Texts. Dabei soll OpenAI auch Youtube-Videos ohne Erlaubnis der Urheber:innen verwendet haben.
Twitter ist nicht das einzige Social-Media-Unternehmen, das die Daten seiner Nutzer:innen für diese Zwecke nutzen will. Erst kürzlich hatte Meta für einen Aufschrei gesorgt, weil es sich das Recht einräumen lassen wollte, die Inhalte von Facebook- und Instagram-Nutzer:innen für das Training des KI-Assistenten Llama zu nutzen. Der Konzern räumte Nutzer:innen lediglich eine komplizierte Widerspruchsmöglichkeit ein. Auch hiergegen legte noyb Datenschutzbeschwerden ein. Auf Druck der irischen Datenschutzbehörde hatte Meta im Juni schließlich angekündigt, in Europa vorerst auf die Einführung von Llama zu verzichten.
Die Arbeit von netzpolitik.org finanziert sich zu fast 100% aus den Spenden unserer Leser:innen.
Werde Teil dieser einzigartigen Community und unterstütze auch Du unseren gemeinwohlorientierten, werbe- und trackingfreien Journalismus jetzt mit einer Spende.