Eine gesunde Ernährung ist im Krankenhaus essenziell. Doch die Realität sieht oftmals anders aus: billige Massenware, denn die Kliniken müssen sehr knapp kalkulieren.
Essen im Krankenhaus: Fast jeder hat damit schon seine Erfahrungen gemacht. Über die Klinik-Verköstigung tauschen sich Patientinnen und Patienten gerne aus. Die Geschmäcker sind verschieden. Manche sind zufrieden, aber viele beschweren sich auch. "Eine absolute Vollkatastrophe. Menschenunwürdig", "Krankenhausessen ist doof", "Sieht nicht wirklich lecker aus. War es auch nicht", lauten einige Kommentare im Internet.
Diana Rubin ist Chefärztin im Vivantes-Klinikum in Berlin, außerdem ist sie im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin. Die Bedeutung der Verpflegung für die Gesundung der Patientinnen und Patienten spiele eine große Rolle: "Eine gesunde und angepasste Ernährung im Krankenhaus ist - egal ob Operationen durchgeführt werden oder ob eine Krebserkrankung vorliegt - extrem wichtig."
Der gesamte Heilungsprozess werde dadurch beeinflusst. Eine gute Ernährung führe dazu, dass weniger Komplikationen entstehen und sogar Sterbefälle vermieden werden können.
Sechs Euro täglich pro Patient
Gerade mal sechs Euro pro Tag geben Kliniken im Durchschnitt für die Kost eines Patienten aus. Die wirtschaftliche Lage in den Krankenhäusern sei wirklich dramatisch, sagt Gerald Gaß von der Deutschen Krankenhausgesellschaft: "80 Prozent schreiben rote Zahlen, wir haben keinen Inflationsausgleich bekommen für die enorm gestiegenen Sachkosten, und am Ende wirkt sich das auch auf die Speisenversorgung aus." Die Krankenhäuser würden gerne hochwertigere Produkte anbieten, aber dafür stehe leider kein Geld zur Verfügung.
Das Problem: Kliniken bekommen pro Patient in der Regel ein pauschales Budget für sämtliche anfallende Kosten. Ernährungsmedizinische Leistungen, wie beispielsweise die Ernährungsberatung, können im deutschen Gesundheitswesen nicht gesondert abrechnen werden, erklärt Chefärztin Rubin. Ob man eine Ernährungsberatung noch zusätzlich mache oder nicht, sei was die Erlöse angeht egal. Das bekomme man nicht extra bezahlt.
Risikofaktor Mangelernährung
Etwa jeder vierte Patient kommt bereits mangelernährt ins Krankhaus. Während des Aufenthalts nehmen viele weiter ab. Es droht die Gefahr, dass sie dauerhaft bettlägerig werden. Genau das muss man aber erst einmal erkennen. In der Vivantes-Klinik wird jeder stationär aufgenommene Patient detailliert auf Mangelernährung untersucht und bei Bedarf von einem ganzen Ernährungsteam behandelt. Aber in dem Umfang machen das nur etwa fünf Prozent der Kliniken.
Dabei liefert die sogenannte Effort-Studie aus der Schweiz Fakten. 2.000 Patienten mit Mangelernährung wurden wissenschaftlich untersucht. 1.000 von ihnen bekamen die übliche Krankenhauskost. Die anderen 1.000 wurden individuell ernährungsmedizinisch betreut, mit Mahlzeiten mit mehr Kalorien, Eiweiß, Vitaminen und Nährstoffen. Das Ergebnis: Bei den besser ernährten Patienten gab es bedeutend weniger Komplikationen. Ihr Risiko zu sterben war im Vergleich um 35 Prozent niedriger.
50 Prozent Biokost in Münchener Klinik
Auch am Isarklinikum in München kämpft man gegen den Kostendruck. Seit zehn Jahren arbeitet das Team an einem Optimierungskonzept. Das Motto: sparen dort, wo es geht, aber nicht an der gesunden Ernährung. Die Klinik bietet mittlerweile 50 Prozent Biokost an. Sie kauft auch Lebensmittel günstig ein, die normalerweise nur aus optischen Gründen gar nicht erst in den Handel kommen, sondern weggeworfen würden.
Andreas Wolf, der sich um die Finanzen in der Klinik kümmert, sieht darin eine Win-Win-Situation: "Es ist zum einen eine Maßnahme gegen Lebensmittelverschwendung, aber auch eine Möglichkeit, wie wir den Patienten und auch den Mitarbeitern gesunde schadstofffreie Lebensmittel hier in der Klinik anbieten können, ohne ökonomische Nachteile zu haben."
Gespart wird auch in anderen Bereichen. So würden viele Produkte wie etwa Verbandsmaterial gebündelt angeliefert. Das spare teure Mieten für ein Zentrallager. Geld, das wiederum in eine gesunde Verpflegung einfließen könne.
Kampf gegen Lebensmittelverschwendung
Eine spezielle Essens-Bestell-App ist außerdem mit zahlreichen Abteilungen im Haus verknüpft, auch mit der Bettenplanung und direkt mit der Küche. Die App erkennt, wann ein Patient einen Eingriff hat, ob er nüchtern bleiben muss, wann er aufgenommen wird und auch wann er die Klinik wieder verlässt. Kein Essen bleibt stehen oder geht zurück.
"Durch die Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung müssen wir insgesamt weniger Ware einkaufen auf der Beschaffungsseite. Wir müssen weniger Gerichte produzieren, die am Ende gar nicht gebraucht werden. Wir müssen am Ende auch weniger entsorgen als Speisereste", sagt Wolf. Damit spare die Klinik einen kleineren sechsstelligen Betrag ein.
Trotzdem würde es auch im Isarklinikum helfen, wenn es zum Essen einen Zuschuss gäbe. Denn auch hier müsse man sich anstrengen, das aktuelle Versorgungsniveau aufrechterhalten zu können und auch Investitionen schieben, so Wolf.
Offener Brief an Minister
Zahlreiche Ärztinnen und Ärzte verschiedener Kliniken haben bereits 2022 in einem offenen Brief Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angeschrieben und um ein adäquates Budget für die Verpflegung gebeten. Aber bisher kommt in den Kliniken nichts an.
"Der sachgerechte Einsatz der jeweiligen Mittel, z. B. im Bereich der qualitativ angemessenen Verpflegung (...), ist von den Krankenhäusern eigenverantwortlich zu entscheiden", teilte das Gesundheitsministerium Plusminus mit. Krankenhäuser, die sich verstärkt um das Wohl ihrer Patienten kümmern wollen, bleiben also weiter selbst auf den Kosten sitzen. Ein separates Budget gibt es nicht.
"Man muss sagen, dass der Bundesgesundheitsminister und die Bundesregierung insgesamt die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser nicht nur ignorieren, sondern ganz offensichtlich bewusst in Kauf nehmen", bemängelt Gerald Gaß von der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Er erwartet eine größere Bereitschaft der Politik: "Wenn die Situation so ist wie aktuell, dass man uns seit Jahren damit im Stich lässt und die Krankenhäuser unterfinanziert sind, dann kann niemand erwarten, dass die Krankenhäuser in der Lage sind, höhere Standards zu erfüllen."