Die Hisbollah startet nach eigenen Angaben einen Vergeltungsschlag gegen Israel. Dort wird der Ausnahmezustand verhängt. Israels Militär greift Dutzende Ziele im Libanon an. Kurz darauf erklärt die libanesische Miliz die "erste Phase" für beendet.
Die schiitische Hisbollah-Miliz im Libanon hat zu Beginn ihres Vergeltungsangriffs für die Tötung eines ranghohen Militärkommandeurs nach eigenen Angaben Hunderte Raketen auf Israel abgefeuert. Die Miliz habe mehr als 320 Raketen des Typs Katjuscha unter anderem auf israelische Militärstützpunkte abgefeuert, teilte die Hisbollah mit. Sicherheitskreise sprachen zunächst von mehr als 100 Raketen, die die Hisbollah auf den Norden Israels gefeuert habe.
Die Hisbollah teilte mit, die "erste Phase" ihres Angriffs sei damit abgeschlossen. Die Angaben der Miliz zur Zahl der aus Israel abgefeuerten Geschosse ließen sich aktuell nicht unabhängig überprüfen. Der Hisbollah-Kommandeurs Fuad Schukr war vor knapp einem Monat in der Hauptstadt Beirut bei einem israelischen Angriff getötet worden.
Unterdessen griff Israels Militär nach eigenen Angaben Hisbollah-Stellungen im südlichen Libanon an. Aus libanesischen Sicherheitskreisen hieß es, Israel habe mindestens 40 Ziele im Südlibanon angegriffen. Nach mehr als einer Stunde des Bombardements schien sich die Lage aber beruhigt zu haben, hieß es weiter.
Israel verhängt Ausnahmezustand
Israel verhängte den landesweiten Ausnahmezustand. Er gelte seit 6.00 Uhr Ortszeit (05.00 Uhr MESZ) für die kommenden 48 Stunden, sagte Verteidigungsminister Joav Galant. Unmittelbar zuvor hatte das israelische Militär Dutzende Stellungen der Schiiten-Miliz im Nachbarland angegriffen. Nach Darstellung der Armee sollte damit einer unmittelbaren Bedrohung durch die Hisbollah zuvorgekommen werden. Sicherheitskreise im Libanon bestätigten die israelischen Angriffe.
Das israelische Militär habe vor Kurzem festgestellt, dass sich die Hisbollah darauf vorbereite, Raketen auf israelisches Gebiet abzufeuern, teilte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari am frühen Morgen mit. Dutzende Kampfflugzeuge der israelischen Luftwaffe griffen derzeit Ziele der Hisbollah im Libanon an, "die eine unmittelbare Gefahr für die Bürger des Staates Israel darstellen". Das sei ein Akt der Selbstverteidigung. Israels Raketenabwehr, Marine und Luftwaffe seien beteiligt.
Israel warnt Hisbollah
Die andauernde Aggression der Hisbollah berge die Gefahr, "dass das libanesische Volk, das israelische Volk - und die gesamte Region - in eine weitere Eskalation hineingezogen werden". Israel werde die Angriffe der Hisbollah auf Israels Zivilbevölkerung nicht dulden, warnte der israelische Armeesprecher.
Der israelische Verteidigungsminister Galant sprach nach Beginn der Angriffe im Libanon mit seinem US-Amtskollegen Lloyd Austin, wie Galants Büro mitteilte. Die beiden hätten betont, wie wichtig es sei, eine regionale Eskalation zu vermeiden.
Die USA sind die Schutzmacht Israels und hatten zuletzt zusätzliche Kriegsschiffe, Flugzeuge und auch ein mit Raketen bestücktes Atom-U-Boot in die Region verlegt - wohl auch, um Israel im Fall eines Angriffs durch Kräfte im Libanon oder den Iran unterstützen zu können.
Flughafen Tel Aviv wieder geöffnet
Ungeachtet massiver Raketenangriffe aus dem Libanon auf den Norden Israels ist der Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv wieder geöffnet worden. Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari sagte, der Flugverkehr verlaufe seit 07.00 Uhr Ortszeit (06.00 Uhr MESZ) wieder planmäßig.
Hagari verkündete zudem neue Anweisungen für Zivilisten vom Großraum Tel Aviv an bis zur Nordgrenze Israels. In dem Raum könnten die Menschen normal zur Arbeit gehen und ihre Kinder in Sommerlager schicken - unter der Bedingung, dass Schutzräume innerhalb kurzer Zeit erreichbar seien. Im Freien dürften sich in den Gebieten bis zu 30 Menschen und in Innenräumen bis zu 300 Menschen versammeln, teilte das Militär mit.
Hagari sagte, das Militär habe in den Morgenstunden "breite Vorbereitungen der Hisbollah identifiziert, das israelische Hinterland anzugreifen". Daraufhin habe die Luftwaffe mit Dutzenden Kampfjets in großem Umfang Hisbollah-Ziele im Süden des Libanon angegriffen, "um die Bedrohungen gegen israelische Zivilisten zu entfernen". In Israel seien Luftabwehr, Marine und Luftwaffe an der Verteidigung beteiligt.
Verhandlungen in Kairo
Seit Beginn des Gaza-Kriegs zwischen Israel und der islamistischen Hamas vor mehr als zehn Monaten beschießt die mit der Hamas verbündete Hisbollah-Miliz aus dem Libanon fast täglich Ziele im angrenzenden Norden Israels. Das israelische Militär wiederum greift regelmäßig Ziele in dem Nachbarland an.
Die im Gaza-Krieg vermittelnden USA, Ägypten und Katar hoffen, dass durch eine Einigung bei den Verhandlungen über eine Waffenruhe in Gaza auch eine Eskalation des Konflikts mit der Hisbollah und dem Iran und damit ein Flächenbrand in Nahost verhindert werden kann. Die Gespräche darüber sollen heute in Kairo weitergehen.