Das zum Teil faktenfrei geführte TV-Duell von Donald Trump hat das Auswärtige Amt auf den Plan gerufen. Bei X schreibt das Ministerium, das deutsche Energiesystem bestehe zu 50 Prozent aus Erneuerbaren. Damit agiert die Regierung genauso faktenfrei wie Trump.
Hoppla, hat da ein Mitarbeiter der Social-Media-Abteilung des Auswärtigen Amts seinen Account verwechselt? Am Mittwochmittag postete der englischsprachige Kanal des deutschen Außenministeriums auf X die folgenden Sätze zum TV-Duell in den USA zwischen Donald Trump und Kamala Harris: "Ob es Ihnen gefällt oder nicht: Das deutsche Energiesystem ist voll funktionsfähig, mit mehr als 50 Prozent erneuerbarer Energien. Und wir schalten Kohle- und Atomkraftwerke ab, statt welche zu bauen. Spätestens 2038 wird die Kohle vom Netz sein." Der Tweet wurde versehen mit einem Screenshot von Trump aus dem TV-Duell, dem Hashtag #Debate2024 sowie einem schnippischen "PS: Wir essen auch keine Katzen und Hunde."
Der PS-Kommentar bezieht sich auf die von Vizepräsidentschaftskandidat JD Vance sowie Trump verbreitete Lüge, in Ohio würden Migranten aus Haiti die Haustiere von Nachbarn klauen, um sie dann zu essen. Das hat rein gar nichts mit dem zu tun, was das Außenamt mit seinem Kommentar richtigstellen wollte. Es macht den Tweet aber endgültig zum Troll-Kommentar.
Innerhalb von 24 Stunden wurde der Tweet mehr als 75.000-fach mit "Gefällt mir" markiert, gut 30.000 Accounts verbreiteten den Post weiter. Das sind beeindruckend hohe Zahlen für ein X-Profil, das zwar viele Follower (320.000) hat, aber üblicherweise wenig Sichtbarkeit auf dem Netzwerk genießt. Hier werden ansonsten Pressekonferenzen von Außenministerin Annalena Baerbock mit Amtskollegen aus aller Welt übertragen, Kommentare zur Lage in den Krisenherden der Welt oder Fotos von Auslandsreisen geteilt. "Gefällt-mir"-Klicks und Retweets bewegen sich deshalb wenig überraschend normalerweise im niedrigen Bereich. Jetzt hat das Auswärtige Amt einen viralen Hit gelandet.
Klimaschutzministerium korrigiert
Die Vorgeschichte: Trump hatte in der TV-Debatte behauptet, Deutschland sei nach einem gescheiterten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen wieder dazu übergegangen, "normale Kraftwerke" zu bauen. Die Aussage ist falsch. "Normale Kraftwerke" - Trump dürfte Atom- und Kohlekraftwerke damit meinen - werden in Deutschland nicht mehr neu gebaut. Kernkraft spielt bekanntlich gar keine Rolle mehr. Dagegen sichert Kohle noch einen großen Teil der deutschen Stromversorgung ab, auch wenn der Anteil der Erneuerbaren am deutschen Strommix von Jahr zu Jahr steigt.
Es ist das gute Recht der Bundesregierung, diese falsche Aussage von Trump richtigzustellen. Dass die eigene Aussage aber auch nicht stimmte und zwei Stunden später das Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz korrigieren musste, ist peinlich und amateurhaft. "Deutschland bezieht weit über 50 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Quellen wie Wind und Sonne und verbrennt so wenig Kohle wie seit den 1960er-Jahren nicht mehr. Neue Kohle-Kraftwerke? No way!", schrieb das Habeck-Ministerium, wohlgemerkt auf Deutsch, als Antwort auf das englischsprachige Posting des AA.
Die Korrektur war bitter nötig, denn die Aussage des Außenministeriums war schlicht nicht präzise genug. Bezogen auf den gesamten Primärenergieverbrauch machten erneuerbare Energien im vergangenen Jahr nur knapp 20 Prozent des deutschen Energiemix aus - die 50 Prozent, von denen das AA schrieb, beziehen sich nur auf den Stromsektor.
Troll-Kommentare helfen nicht
Eine solche Kommunikation ist eines deutschen Außenministeriums unwürdig. So sieht Chaos aus. Warum fühlt sich das Außenministerium überhaupt dazu bemüßigt, einen belehrenden Tweet zum TV-Duell abzusetzen? Was bezweckt die Baerbock-Behörde damit? Außer vergleichsweise vielen Likes, Retweets und Kommentaren auf X jedenfalls nichts Gutes. Sollte Trump die Präsidentschaftswahl gewinnen, braucht es wohl oder übel einen vernünftigen Gesprächsfaden mit ihm und seiner Regierung. Da helfen schnippische Kommentare auf X nicht.
Richard Grenell, während Trumps Präsidentschaft US-Botschafter in Berlin, kritisierte den Post als Wahlbeeinflussung, die schlimmer ausfalle als beispielsweise von Russland. "Wir sehen dies eindeutig und werden entsprechend handeln", gab Grenell auf X einen Vorgeschmack auf die schwierige Beziehung, die zwischen den USA und Deutschland im Falle einer zweiten Trump-Ära droht. Dabei muss doch gerade das Auswärtige Amt mehr als jede andere deutsche Institution Gesprächskanäle zu jedweder amerikanischen Regierung eher öffnen anstatt zu schließen.
Für Grenell, der bei einem Trump-Sieg als möglicher Außenminister gehandelt wird, war der Post der deutschen Außenbehörde ein gefundenes Fressen. Die Behauptung, es handele sich um Wahlbeeinflussung, ist zwar an den Haaren herbeigezogen. Die meisten Wählerinnen und Wähler, ob in Arizona oder Pennsylvania, in Georgia oder Wisconsin, werden von der Existenz dieses deutschen Kommentars wohl nie etwas mitbekommen. Und selbst wenn: Vor allem der Vergleich mit Russland hinkt gewaltig, schließlich hat Moskau bekanntermaßen 2016 zugunsten von Trump in den Präsidentschaftswahlkampf eingegriffen. Dennoch hat das Bundesaußenministerium diesem Gezeter überhaupt erst Tür und Tor geöffnet, indem es auf X zu trollen begann.
Politiker hierzulande haben jedes Recht und vielleicht sogar die Pflicht, Falschaussagen aus dem Ausland über Deutschland richtigzustellen. Die Bundesregierung darf auch offenlegen, wen sie sich als nächsten US-Präsidenten wünscht und dass es sicher nicht Donald Trump ist. Jeder und jede darf sich lustig machen über den Kandidaten der Republikaner, darf trollen. Aber es macht einen großen Unterschied, ob ein Regierungspolitiker auf seinem eigenen Profil einen solchen Kommentar abgibt oder ob das deutsche Außenministerium hochoffiziell auf einem seriösen Account sich der Absurditäten und Peinlichkeiten des US-Wahlkampfs widmet. Und noch dazu vom eigenen Umweltministerium inhaltlich korrigiert werden muss.
Auch mehr als 24 Stunden nach Veröffentlichung ist der Tweet noch nicht gelöscht. Der Gedanke, ein Mitarbeiter könnte seinen privaten Account mit dem der Außenbehörde verwechselt haben, ist somit nicht zutreffend. Das gesamte Haus mit Annalena Baerbock an der Spitze scheint zu diesem Kommentar zu stehen. Das ist peinlich.