Sie legen die Füße hoch, während die Kollegen ackern: Arbeitszeitbetrüger. Der stern konnte einen von ihnen sprechen. Herr Jansen* hat kein schlechtes Gewissen, nur Angst erwischt zu werden.
Herr Jansen*, Sie sind jemand, den man als einen Arbeitszeitbetrüger bezeichnen könnte. Welchen Beruf üben Sie aus?
Ich bin Angestellter bei einem Finanzdienstleister. Genauer möchte ich hier nicht werden. Ich habe Angst, dass man daraus ableiten könnte, wer ich bin.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Meine Arbeit besteht lediglich aus reiner Bürotätigkeit. Ich sitze quasi den ganzen Tag am Rechner, habe verschiedene Programme, die ich für die Prüfung von Vorgängen nutze, um es mal allgemein zu halten.
Arbeiten Sie im Büro oder im Homeoffice?
Es gibt sogenannte Teamtage, an denen wir ins Büro müssen, und da gehe ich dann auch ins Büro. Manchmal aber auch nicht. Ich würde sagen, dass ich zu etwa 70 Prozent von zu Hause aus arbeite.
Ich verdiene deutlich über dem Durchschnitt und arbeite weitaus weniger als viele andere
Nehmen Sie Ihre Arbeit als erfüllend wahr?
Im Gegenteil. Ich nehme meine Tätigkeit als sehr langweilig wahr. Ich mache den Job auch nur, weil Gehalt, Arbeitszeit und Benefits sehr gut sind. Ich verdiene deutlich über dem deutschen Durchschnitt und arbeite weitaus weniger als viele andere.
Ist das ein 40-Stunden-Job?
Ja, 40 Stunden stehen im Arbeitsvertrag.
Wie viele Stunden arbeiten Sie wirklich?
Also effektiv – wenn ich ganz ehrlich bin – arbeite ich vielleicht die Hälfte der Zeit meiner Kollegen.
Seit wann betrügen Sie Ihren Arbeitgeber?
Am Anfang habe ich mich wirklich reingekniet. Überstunden gemacht, mich angeboten. Das wurde aber meinem Eindruck nach weder wertgeschätzt noch gesehen. Was ich leiste und wie viel ich arbeite, hat hier eigentlich niemand auf dem Schirm, dachte ich. Und dann habe ich einen Gang zurückgeschaltet und gemerkt, dass es auch so funktioniert. Mit der Zeit – ich bin seit drei Jahren im Unternehmen – wurde das mehr und mehr.
Warum bemerkt das offenbar niemand?
Soweit ich weiß, werden wir nicht überprüft. Außerdem gucke ich schon, dass die Aufgaben, die ich erledigen muss, fristgerecht fertig werden. Dass mir nichts auf die Füße fällt und ich sicher bin bei meinem Tun. Und ich frage immer: "Bis wann hat das Zeit?" So kann ich das Maximum an Deadline mitnehmen, aber es dann auch nicht zu doll überreizen, sodass es auffällig werden könnte. Ich mache quasi nur das Mindeste dessen, was auf der Arbeit erwartet wird.
Welche Tricks wenden Sie noch an?
Zum Beispiel melde ich mich morgens aus dem Bett am Laptop an, bleibe dann aber noch mal eine Stunde liegen. In dieser Zeit schreibe ein, zwei E-Mails, damit einfach so ein bisschen Traffic da ist. Man soll sehen, dass ich was gemacht habe.
Wie verbringen Sie Ihre freien Stunden?
Mit ganz normalen Dingen wie Wäsche machen, kochen, putzen. Ich denke aber immer wieder und ernsthaft darüber nach, mir noch einen Nebenjob zu suchen, der sich in meinen Arbeitsalltag integrieren ließe.
Homeoffice Privates-Was ist erlaubt 13.20
Haben Sie ein schlechtes Gewissen oder Angst, dass Sie auffliegen?
Ein schlechtes Gewissen habe ich eigentlich nicht. Die Angst, erwischt zu werden ist da, war am Anfang aber größer. Ich kann mich noch an ein Feedbackgespräch im Jahr 2023 erinnern. Ich war noch nicht lange im Unternehmen und bekam kurz vor dem Termin richtig Panik. Was antworte ich, wenn mein Chef mich fragt, wie zufrieden ich mit meiner eigenen Leistung bin?
Wie verlief das Gespräch?
Natürlich kam die Frage und ich wusste, dass ich meine Arbeitsleistung auf keinen Fall als ungenügend bewerten durfte. Wenn mein Chef das nämlich gar nicht denkt, wird er hellhörig. Meine Antwort lautete also: "Ich bin zufrieden mit meiner Arbeitsleistung, ich mache genug." Darauf habe ich dann die Bestätigung zurückbekommen. Das hat mich tatsächlich sehr erstaunt, weil ich ja weiß, dass ich sehr wenig mache. Und dann kam bei mir die Frage auf: Wenn mein Ergebnis gut ist ... was machen alle anderen?
Was glauben Sie, wie Ihre Kolleginnen und Kollegen arbeiten?
Ich weiß es nicht. Das ist ja die Thematik: Jeder macht Homeoffice, und keiner sagt dem anderen, wie er arbeitet. Ich glaube tatsächlich, dass sich vom Empfang bis zur Chefetage schon ein Großteil der Leute gegenseitig einfach dick ins Gesicht lügt.
*Die interviewte Person wünscht, anonym zu bleiben und wurde daher unter einem Pseudonym zitiert. Der tatsächliche Name ist der Redaktion bekannt.