3 months ago

Ampeltalk bei Miosga: "Wir können in der Nachspielzeit überzeugen"



Die Grünen müssen sich verändern. Und das wollen sie auch, nachdem der gesamte Parteivorstand am Mittwoch zurückgetreten ist. Auch Gesundheitsminister Lauterbach glaubt nicht, dass die Ampel schon am Ende ist. Am Sonntagabend diskutiert Caren Miosga mit ihren Gästen über den Rücktritt und seine Folgen.

Die Nachricht kommt völlig unerwartet: Am Mittwochmorgen verkünden die beiden Grünen-Chefs Omid Nouripour und Ricarda Lang den Rücktritt von ihren Ämtern. Auch der Grünen-Vorstand werde nur noch bis zum Parteitag im November im Amt bleiben. Dann müsse ein neuer gewählt werden. Lang und Nouripour ziehen mit diesem Schritt Konsequenzen aus den schlechten Wahlergebnissen, die die Grünen seit einiger Zeit einfahren. Doch nicht nur die Grünen haben ein Problem bei Landtagswahlen. Die FDP hat seit mehr als zwei Jahren nur Wahlverluste eingefahren, bei den letzten drei Wahlen in Ostdeutschland werden die Liberalen geradezu pulverisiert. Zuletzt erreichen sie in Brandenburg nur noch 0,8 Prozent der Wählerstimmen. Und auch bei der SPD läuft es nicht gut. Noch nie war ein Bundeskanzler so unbeliebt wie Olaf Scholz. Was läuft falsch bei der Ampel, will deswegen Caren Miosga in ihrer ARD-Talkshow wissen.

Über den Rücktritt der Grünen-Spitze habe man schon länger geredet, sagt Grünen-Co-Chef Omid Nouripour. Am Dienstag sei es dann konkret geworden, zwei Tage, nachdem die Grünen bei der Wahl in Brandenburg die Fünf-Prozent-Hürde verfehlt haben. Da sei auch beschlossen worden, dass die beiden Politiker ihren Rücktritt am Mittwoch bekannt geben würden. Für Nouripour sei das eine schwierige Entscheidung gewesen. "Ich wollte den Job", sagt er. "Er ist ein Privileg und eine Ehre. Und ich schulde meiner Partei sehr viel. Ohne meine Partei wäre ich nicht, was ich heute bin. Und ich wollte in meinem Job etwas zurückgeben. Und wenn man dann feststellt, dass man die Amtszeit nicht zu Ende bringen kann, dann ist das natürlich etwas, das einem nicht leicht fällt." So ein Job bringe viel Macht, aber auch viel Verantwortung mit sich, sagt Nouripour. Und deswegen habe man auch Verantwortung zu übernehmen, zum Beispiel für schlechte Wahlergebnisse. Er werde nun an einer anderen Stelle für die Grünen arbeiten, sagt Nouripour. "Wir haben drei Wahlen, bei denen Ergebnisse rausgekommen sind, bei denen keine Regierungsbildung mehr möglich ist ohne Parteien, die Propaganda weitergeben. Auch das ist eine Verpflichtung, alles dafür zu tun, damit unsere Partei stark ist."

Klar, die beiden Chefs haben Fehler gemacht, beantwortet Nouripour eine Frage der Moderatorin. "Hätten wir keine gemacht, wären wir jetzt nicht da, wo wir sind." Dazu gehöre, dass sie nicht robust, hart und schnell genug auf Behauptungen reagiert hätten, die Grünen wollten alles verbieten, vom Fleisch essen bis zum Autofahren. Der neue Vorstand hat schwere Aufgaben zu bewältigen, sagt Nouripour. "Es geht darum, dass wir das Land voranbringen wollen, und wir schaffen materiell und substanziell sehr viel in dieser Koalition. Auf der anderen Seite stapeln sich die Krisen bei den Leuten, und die Leute sind unsicher und wollen eine Regierung, die Halt gibt und souverän wirkt. Das schaffen wir gerade nicht." Die Ampel sei keine superharmonische Koalition mehr. Vor allem wegen des ständigen Streits. So etwas dürfe in der nächsten Regierung nicht mehr passieren, fordert Nouripour. "Es bringt einfach nichts, wenn man die Dinge voranbringt, aber sie auf offener Bühne mit überflüssigem Streit zerredet."

Nun gehe es vor allem um die Unterstützung von Robert Habeck, der Grünen-Kanzlerkandidat werden wolle. Der habe in der Ampelkoalition vieles richtig gemacht. Ihm sei es zu verdanken, dass es nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine und dem damit verbundenen Ausstieg aus russischen Öl- und Gaslieferungen keine Blackouts oder Brownouts gegeben habe. "Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Robert Habeck der Richtige ist", sagt Nouripour.

Die Pläne der Ampel

Im zweiten Teil der Sendung kommen weitere Politiker der Ampelkoalition in die Gesprächsrunde: FDP-Fraktionschef Christian Dürr und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach von der SPD. Alle drei Ampelkoalitionäre sind sicher: Die Regierung wird halten. Bis zum Schluss. Denn es gebe noch wichtiges zu tun, sagt Dürr: "Das ist die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes, die uns alle nicht zufriedenstellt, denn wir brauchen wieder wirtschaftlichen Erfolg. Und es ist die Ordnung in der Migrationspolitik. Da braucht es einen Neuanfang." Erste Veränderungen bemerke Dürr bereits, vor allem in der Haltung der Länder.

Ob Bundeskanzler Scholz dafür der Richtige sei? "Ja", sagt Lauterbach. Und dann lobt er, was Olaf Scholz schon alles in die Wege geleitet hat - bei der Energiewende, der Sanierung der Bundeswehr, der Gesundheitspolitik. "Und bei der Migrationspolitik haben wir auch schon was geschafft", so Lauterbach. Und über Scholz: "In der Sache ist er ein guter Bundeskanzler, und er ist auch immer tief im Stoff." Er habe wenig Verständnis für die Kakophonie in der letzten Zeit, sagt Lauterbach. "Wenn wir ruhig arbeiten würden, kämen die Dinge über die Rampe. Wir haben die Gelegenheit. Wir können in der Nachspielzeit überzeugen."

Der Herbst wird hart

Auch Christian Dürr kann Leistungen loben, und zwar die seines Parteichefs Christian Lindner, trotz der Wahlniederlagen der letzten Zeit. Doch deswegen gleich die ganze Führungsspitze auszuwechseln, fällt den Liberalen nicht ein. Dürr: "Es geht um die Frage: Ist eine Partei mit sich selbst im Reinen und klar aufgestellt. Das sind die Freien Demokraten, insbesondere, seit Christian Lindner Bundesvorsitzender ist." Die Europawahlen seien gar nicht so schlecht gelaufen, sagt Dürr. Über die Ergebnisse in Ostdeutschland sei er jedoch schon verärgert. Sein Ziel für die FDP: "Es wird unsere Aufgabe sein, dass die Demokraten für Mehrheiten sorgen." Zum Beispiel in der Migrationspolitik, wo in der nächsten Sitzungswoche des Bundestages ein großes Paket an Änderungen beschlossen werden solle.

Der Herbst wird hart werden für die Koalition. Das wissen die drei Politiker. Migration, Wirtschaftsförderung, Bundeshaushalt, Rentenpaket: Da gibt es noch jede Menge Arbeit. Wird die Ampel das schaffen? "Deutschland hat große Herausforderungen, und nichts tun ist keine Option", sagt Dürr. Und Lauterbach fügt hinzu: "Wir müssen vor allem die Arbeit machen. Das Projekt Modernisierung läuft ja schon. Wir schaffen das."

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