1 month ago

Ampel-Pläne: Zwei grüne Abgeordnete stellen sich gegen Überwachungspaket



Plötzlich kommt aus der grünen Bundestagsfraktion doch noch offene Kritik am geplanten Sicherheitspaket. Im Fokus steht dabei vor allem die geplante Gesichtserkennung. Wir haben uns die Kritikpunkte angeschaut.

 schematic biometric data, face recognition, and a evil surveillance eye, and a German traffic light in the colors red, green, yellowDie Ampel-Regierung plant derzeit ein Gesetzespaket, das zahlreiche neue Befugnisse für die Polizei mit sich bringt. (Symbolbild) – Public Domain generiert mit Midjourney.com

Erst sah es so aus als würde die grüne Bundestagsfraktion das Sicherheitspaket der Ampel hinnehmen oder nur hinter vorgehaltener Hand kritisieren. Jetzt regt sich doch so etwas wie öffentliche Kritik an den Plänen aus dem Hause von Bundesinnenministerin Nancy Faeser. In einem Gastbeitrag in der taz kritisieren die Bundestagsabgeordnete und Digitalausschuss-Vorsitzende Tabea Rößner und die Abgeordnete Sabine Grützmacher das Überwachungspaket.

Sie konzentrieren sich dabei allerdings auf die Felder Biometrie und Gesichtserkennung aus dem viele Maßnahmen umfassenden Gesetzespaket. Die Verschärfungen des Asylrechts, die in der SPD für Unruhe sorgen, und die Verschärfung des Waffenrechts, die zu weitreichenden anlasslosen Kontrollen führen würde, nennen die beiden Abgeordneten ebenso wenig wie die geplanten Befugnisse der Polizei zu Big-Data-Anwendungen.

„Weder mit Grundgesetz noch Europarecht vereinbar“

Der Regierung werfen Rößner und Grützmacher „Aktivismus“ vor, weil keineswegs sicher sei, ob die geplanten Maßnahmen ein Attentat wie in Solingen hätten verhindern können und „ob sie in einem angemessenen Verhältnis zu dem versprochenen Gewinn an Sicherheit stehen“. Was nun als Gesetzespaket auf dem Tisch liege, ermögliche „Grundrechtseingriffe von ganz erheblichem Ausmaß und kann bei Missbrauch zur tiefgreifenden Überwachung führen“, so Rößner und Grützmacher weiter.

„Es drängt sich der Eindruck auf, das Bundesinnenministerium und die Sicherheitsbehörden nähmen die derzeitige Stimmung zum Anlass, ihre Befugnisse derart zu erweitern, wie sie es in der Vergangenheit schon oft (erfolglos) versucht hatten.“ Stattdessen fordern die beiden Abgeordneten, dass die Ampel die im Koalitionsvertrag vereinbarte Überwachungsgesamtrechnung durchführen solle.

In Sachen Biometrie befürchten Rößner und Grützmacher eine „zentrale Superdatenbank“, die „jede Art der bisher diskutierten Vorratsdatenspeicherung in den Schatten stellen“ und anlasslos alle Bürger:innen treffen würde. Dies sei weder mit dem Grundgesetz noch mit Europarecht zu vereinbaren.

Keine roten Linien

Auffällig ist allerdings auch, dass der Text vor allem auf die weitreichende Kritik der Sachverständigenanhörung verweist. Rote Linien dafür, was mit der Beteiligung der Grünen nicht durchgehen wird, stellen die Abgeordneten nicht auf. Das mag den derzeitigen Verhandlungen mit den Koalitionspartnern im Hintergrund geschuldet sein. Dennoch bleibt der Text neben den Zitaten aus der Sachverständigenkritik bei recht allgemeinen Aussagen stehen, wie jenen, dass die Autorinnen sich für eine „differenzierte Betrachtung in der Koalition“ einsetzen oder sich einer „uferlosen Verarbeitung persönlicher Daten verweigern“ werden.

Was heißt es denn konkret, wenn Rößner und Grützmacher fordern, dass den Sicherheitsbehörden „kein Freifahrtschein in eine unbekannte Zukunft ausgestellt werden“ darf? Und sagt nicht auch Nancy Faeser oder jeder andere Innenminister, dass sie jederzeit „verfassungskonforme Lösungen“ anstreben würden? Die Antwort darauf bleiben Rößner und Grützmacher leider schuldig, auch wenn es ein gutes Zeichen für die Grundrechte ist, dass die Kritik auch von den Grünen nun etwas lauter wird.


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