Nun ist es passiert. Die Ampelkoalition hat ein jähes Ende gefunden. Die Talkshows in ARD und ZDF hätten schon mit der US-Wahl genügend Gesprächsstoff gehabt. Jetzt dreht sich alles um das Ampel-Aus.
Es ist ein Abend, der so nicht geplant gewesen ist. Eigentlich will die ARD in einer Sondersendung über die Präsidentschaftswahlen in den USA berichten. Dann platzt die Bombe. Mitten in der Sendung kommt die Eilmeldung: Bundeskanzler Scholz hat Bundespräsident Steineier um die Entlassung von Finanzminister Lindner von der FDP gebeten. Scholz habe Vorschläge gemacht, mit denen er die Wirtschaft unterstützen, Arbeitsplätze in der Autoindustrie retten und die Ukraine nach dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA nicht im Regen stehen lassen wollte, sagt er. Dazu hätte eine Notlage ausgerufen und ein Sondervermögen beschlossen werden müssen. Das hätte ein Aussetzen der Schuldenbremse bedeutet. Diesen Schritt habe Finanzminister Lindner nicht gehen wollen.
Das habe er nicht gekonnt, sagt Christian Lindner eine halbe Stunde später in einem Pressestatement. Dazwischen meldet sich auch Wirtschaftsminister Habeck zu Wort. Die Entlassung Lindners sei unnötig gewesen, sagt der Grünen-Politiker. "Das hätte man anders machen müssen", sagt Habeck später in den ARD-Tagesthemen. "Meine Kraft hat nicht gereicht, dass es anders gekommen ist, dass diese Regierung handlungsfähig bleibt." Die Hauptschuld am Ampel-Aus gibt Habeck dem Koalitionspartner FDP. "Bei den anstehenden Haushaltsverhandlungen hat die FDP nicht mehr die Geschmeidigkeit gefunden, pragmatische Wege zu gehen. Es ist eine Realität, dass es nicht mehr weitergeht mit uns."
Der Kanzler will sich nun mit CDU-Chef Friedrich Merz treffen und versuchen, die Rettung von Wirtschaft und Arbeitsplätzen mit der Union durch den Bundestag zu bekommen. Im Januar wolle er die Vertrauensfrage stellen, damit im März Neuwahlen stattfinden könnten.
"Konjunkturprogramm für Nationalpopulisten"
Sandra Maischberger hatte sich inzwischen auf ihre Talkshow vorbereitet. Die sollte um 21.00 Uhr beginnen. Daraus wird nichts, der ARD-Brennpunkt hat Vorrang und den SPD-Außenpolitiker Michael Roth eingeladen. "Anstelle eines Konjunkturprogramms für Wirtschaft und Jobs in Deutschland gibt es nun ein Konjunkturprogramm für Nationalpopulisten von ganz rechts und von ganz links. Das ist traurig und tragisch. So hätte ich mir das Ende dieser Koalition, die ja auch viel auf den Weg gebracht hat, aber die am Ende komplett zerstritten war, wo es kein Vertrauen gab, nicht gewünscht", sagt der Politiker. Er spricht von einer tiefen Zäsur. "Ich sehe erst einmal keine Gewinnerinnen und Gewinner in der demokratischen Mitte."
Die Koalition habe sehr viel Vertrauen zerstört. Dafür müssten nun alle einen hohen Preis zahlen, bedauert Roth. "Aber wir sind nicht alleine auf dieser Welt. Um uns herum sind Kriege, Krisen und Konflikte. Alle blicken auf Deutschland. Deutschland war der Stabilitätsanker in Europa." Man habe sich viel für die Ukraine eingesetzt, nun könne sich Deutschland nicht einfach in den eigenen Kokon zurückziehen. Deutschland müsse in dieser Krisenzeit handlungsfähig sein, sagt Roth. "Ich hätte mir sehr gewünscht, wenn alle politisch Verantwortlichen das noch einmal verinnerlicht hätten." Die Koalition habe sich versprochen, ein Stabilitätsanker in diesem Europa zu sein. Nach dem Wahlsieg des Nationalpopulisten Donald Trump wäre es gut, wenn von Deutschland gemeinsam mit Frankreich und Polen Sicherheit und Stabilität ausginge. Das müsse auch für eine kommende Regierung gelten.
Dann wird auch Sandra Maischberger kurz zugeschaltet. Sie will sich eigentlich in ihrer Talkshow mit den Präsidentschaftswahlen in den USA befassen und hat dazu unter anderem den ehemaligen CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet eingeladen. Der kommt dann auch kurz zu Wort, zwischen Tür und Angel sozusagen. "Man konnte damit rechnen, wenn man die Ampel in den letzten Wochen erlebt hat", sagt er. Er meint das Ende der Ampelkoalition. Über den Zeitpunkt war er offenbar überrascht. "Wir brauchen jetzt, nachdem Donald Trump gewählt ist, eine starke Regierung in Deutschland. Und die Ampel hätte in der Verfassung, in der sie war, ein Jahr lang noch ein schlechtes Bild abgegeben. Und deswegen hat es eine gewisse Logik, dass jetzt dieser Prozess startet." Allerdings sei es besser, wenn Scholz zügig die Vertrauensfrage im Bundestag stelle, sagt Laschet. Da hatte Scholz zwar noch nicht seine Pläne für die nächsten zwei Monate vorgestellt. Danach fordern aber auch weitere Oppositionspolitiker schnelle Neuwahlen, unter anderem AfD-Chefin Alice Weidel und CSU-Chef Markus Söder.
Die Vorsitzende der SPD-Grundsatzkommission Gesine Schwan ist genauso überrascht über die Entscheidung am Mittwochabend. Die Ampel sei jedoch keine stabile Koalition mehr gewesen, fügt sie bei Maischberger hinzu. Auf eine stabile Regierung könne man erst ab März hoffen, nach Neuwahlen. Die Entscheidung für das Ampel-Aus zu treffen, bevor der Haushalt im Bundestag verabschiedet worden sei, hält sie für schwierig. "Es ist eigentlich wahnsinnig riskant, dass man vor dieser Haushaltsentscheidung nun eine solche Zerrüttung hat."
Und schon ist das Gespräch beendet. Die aktuelle Berichterstattung fordert ihren Preis.
So reagiert Markus Lanz
ZDF-Talker Markus Lanz darf an diesem Abend erst um Mitternacht ran. Das ist immer so in einer Woche, in der sich die Fußball-Fans für die Champions League interessieren. Die Sendung wird dann immer am späten Nachmittag aufgezeichnet. Diesmal nicht, Lanz sendet live. Unter anderem ist der FDP-Vizefraktionschef Konstantin Kuhle eingeladen. Er ist nach einer Fraktionssitzung schnell nach Hamburg gefahren.
Vorher meldet sich seine Parteikollegin Marie-Agnes Strack-Zimmermann zu Wort, allerdings in den ARD-Tagesthemen. Lindner habe ein Wirtschafts-Strategiepapier vorgelegt, die Pläne von Scholz dagegen seien nicht ambitioniert und minimalistisch gewesen, wiederholt sie die Aussage ihres Parteichefs Lindner. Strack-Zimmermann bestätigt dann den Rücktritt aller FDP-Minister. "Damit zieht sich die Freie Demokratie aus dieser Regierung zurück", sagt sie. Der Kanzler habe mit der Entlassung Lindners großen Schaden für Deutschland verursacht.
"Ich bin froh, dass es jetzt endlich Klarheit gibt", sagt Konstantin Kuhle bei Lanz. Über das Ende der Regierungskonstellation sei monatelang geredet worden. Er habe zu der Regierung gestanden. Doch die Regierung sei zu den wirtschaftspolitischen Entscheidungen, die Deutschland brauche, nicht in der Lage gewesen. Finanzminister Lindner habe am vergangenen Freitag in der wirtschaftlichen Auseinandersetzung einen Vorschlag gemacht. Danach habe sich die Diskussion immer mehr zugespitzt. Dabei sei klar geworden, dass Deutschland jetzt eine Entscheidung brauche. "Ich bin sehr enttäuscht, dass diese Entscheidung nicht für wirtschaftliches Wachstum und nicht für wirtschaftliche Reformen ausgefallen ist, sondern dass diese Regierung jetzt zu einem Ende ohne derartige Wirtschaftsreformen kommt", sagt Kuhle.
"Ich glaube, heute Abend ist das passiert, was wir von Christian Lindner schon öfter erlebt haben", sagt Grünen-Politiker Anton Hofreiter bei Lanz. "In einer ganz schwierigen Phase für unser Land hat er versucht, so zu provozieren, dass die anderen sagen: Es geht nicht mehr, man hält es nicht mehr aus mit ihm, damit er nicht die Verantwortung hat für den Koalitionsbruch. Das ist ihm misslungen. Immer, wenn es kompliziert wird und um Verantwortung geht, läuft er davon."
"Christian Lindner ist Bundesfinanzminister gewesen. Er hat einen Amtseid geleistet, der besagt, dass Schaden vom deutschen Volk abgewendet werden muss. Und in einer Situation, wo unser Land null Prozent Wirtschaftswachstum hat, ein Konzept vorzulegen, wie wir wieder zu wirtschaftlichem Wachstum kommen, ist das Gegenteil von Verantwortungslosigkeit", antwortet Konstantin Kuhle.
Während Kuhle als wichtigsten Grund für das Ende der Ampel die wirtschaftspolitischen Themen nennt, die Lindner nicht durchsetzen konnte, kritisiert Hofreiter, dass sich Lindner gegen die Öffnung der Schuldenbremse ausgesprochen hat. Die sei nötig gewesen, um die Ukraine besser zu unterstützen.
Am Ende des Abends ist klar: Der Wahlkampf hat begonnen, obwohl es noch kein Datum für Neuwahlen gibt. Fraglich ist, ob die Oppositionsparteien im Bundestag den Kanzler dabei unterstützen werden, seine Ideen zur Wirtschaftsrettung umzusetzen, oder ob sie ihn deutlich früher als geplant zur Vertrauensfrage zwingen. Sie haben nichts zu verlieren.