Die Debatte um Konsequenzen aus dem islamistischen Anschlag auf ein Stadtfest in Solingen läuft auch Hochtouren. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wüst pocht auf die schnellere Ausreise von Ausländern ohne Bleiberecht. Dabei nimmt er vor allem die Sozialleistungen ins Visier.
Nach dem Solingen-Anschlag hat Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst die Sozialleistungen für abgelehnte Asylbewerber in Frage gestellt. "Ich bin schon lange dafür, dass wir unseren Katalog von Sozialleistungen überprüfen und an die Regeln anderer EU-Länder anpassen", sagte der CDU-Politiker dem "stern". "Wer auszureisen hat, sollte unmittelbar nach einem rechtskräftigen Bescheid unser Land auch verlassen. Die Phase zwischen dem Beschluss und der tatsächlichen Ausreise muss kürzer werden und wir sollten genau schauen, warum das oft so lange dauert. Es gibt eine Menge Menschen, die das Land verlassen müssen. Und wir sollten alles dafür tun, dass das auch passiert."
Zudem forderte Wüst mehr Grenzkontrollen, um das irreguläre Eindringen von Migranten einzudämmen, gefordert. "Wie erfolgreich Grenzkontrollen sein können, haben wir in den letzten Monaten bei Fahndungserfolgen sehen können. Sie müssen fortgesetzt und verstärkt werden", zitiert ihn das Magazin. "Wir haben die Aufgabe, unsere Bevölkerung zu schützen. Dabei können wir die Herkunft solcher Täter wie in Solingen nicht ignorieren. Man kann die Freizügigkeit in Europa gewährleisten und trotzdem die Grenzen besser schützen."
Auch FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle will nach dem Messerangriff von Solingen mehr Druck auf ausreisepflichtige Ausländer ausüben. "Wir sollten in der Koalition auch dringend über Sozialleistungen für Ausländer reden", sagte Kuhle dem "stern". "Wenn jemand nicht hierbleiben darf, darf er auch keine Sozialleistungen bekommen." Der FDP-Politiker forderte, dass sich "in der Migrationspolitik etwas fundamental ändern muss". Beim Thema Abschiebungen brachte er zudem eine Kompetenzverlagerung von den Ländern zum Bund ins Spiel. Bund und Länder müssten sich "besser und enger abstimmen". Man müsse auch "über mehr Kompetenzen für den Bund nachdenken. Zum Beispiel, dass die Bundespolizei in Zukunft selbst Abschiebungen durchführt."
Schmid: Müssen mit Taliban über Abschiebungen sprechen
Die Forderung nach einem generellen Aufnahmestopp von Syrern und Afghanen, wie ihn der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz vorgeschlagen hat, hält Kuhle hingegen für wenig aussichtsreich: "Man sollte keine Maßnahmen fordern, von denen man weiß, dass man sie nicht umsetzen kann." Allerdings müsse man "darüber nachdenken, wie wir wie wir Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan ermöglichen können. Und wir müssen die Einwanderungszahlen senken."
Der Außenexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, pochte in diesem Zusammenhang auf Gespräche der Bundesregierung mit den Regimen in Afghanistan und Syrien. "Wir werden nicht umhinkommen, mit dem Taliban-Regime und dem Regime in Damaskus technische Gespräche über einzelne Punkte zu führen, etwa Abschiebungen", sagte Schmid dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Kontakte zu beiden Ländern seien nicht vollständig abgebrochen, auch wenn das Botschaftspersonal aus Sicherheitsgründen abgezogen worden sei.
Deutschland hatte Afghanistan 2021 nach rund 20 Jahren Aufbauarbeit verlassen, während der Krieg in Syrien unter Machthaber Baschar al-Assad 2015 eine Flüchtlingswelle nach Deutschland ausgelöst hatte. Bereits im Juni hatten mehrere CDU-Politiker die Bundesregierung aufgefordert, mit den afghanischen Taliban Gespräche über die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern aus Deutschland zu führen.