Die Sarmat RS-28 ist die größte Interkontinentalrakete der Welt. Mit ihr untermauert Russland seinen Ruf als Nuklearmacht. Ein Fehlstart weckt Zweifel an ihrer Einsatzfähigkeit.
Wladimir Putin nannte sie die tödlichste Waffe der Welt: Russlands neue Interkontinentalrakete Sarmat RS-28. 2018 stellte der Kremlchef sie mit einer ganzen Reihe von "Wunderwaffen" offiziell vor. Einige dieser Systeme befinden sich heute im Einsatz, etwa die Hyperschallwaffe "Kinschal". Doch die Entwicklung der Sarmat kommt nicht voran. Nur ein einziger Start gelang bisher.
Ein erneuter Testversuch hat nun offenbar zu einer Explosion im Silo geführt. Bilder, die der Satellitenbetreiber Maxar am 21. September aufgenommenen hat, zeigen einen etwa 60 Meter breiten Krater am Startsilo des Kosmodroms Plesetsk im Norden Russlands.
Auch an den umliegenden Straßen und Gebäuden sind Schäden sichtbar. "Die Rakete detonierte im Silo, hinterließ einen riesigen Krater und zerstörte das Testgelände", schrieb MeNMyRC, ein Open-Source-Analyseprojekt, zu den Aufnahmen. Die Detonation müsse sich beim Auftanken der Rakete oder unmittelbar nach dem Zünden der Triebwerke ereignet haben.
Sarmat ist eine Interkontinentalrakete einer neuen Generation
Die RS-28 ist eine furchterregende Waffe, denn sie trägt bis zu 16 Atomsprengköpfe mit sich. Eine einzige Rakete könnte ein mittelgroßes Land wie Frankreich komplett verwüsten. Ihre Entwicklung ist keine Überraschung, die Ablösung der Vorgänger (RS-18) ist überfällig.
Die RS-28-Sarmat-Rakete wurde dazu entwickelt, Abwehrschilde zu durchbrechen. Theoretisch kann sie mit 10 Tonnen Wurfgewicht zehn schwere oder 16 leichtere Gefechtsköpfe tragen. Im Vergleich zu älteren Systemen hat die Rakete eine sehr starke erste Stufe, um schnell Geschwindigkeit und Höhe zu gewinnen. Aufgrund ihrer großen Reichweite kann sie Ziele in den USA erreichen, ohne die Route über den Nordpol zu nehmen. Vermutlich wird die RS-28 Sarmat weit weniger Sprengköpfe mit sich führen, als möglich wäre, um so Raum für Systeme gegen Abwehrraketen zu schaffen.
Tödliche Kombination mit YU-71 Awangard
Das größte Potenzial hätte die RS-28, wenn sie Hyperschallgleiter des Typs YU-71 Awangard transportieren würde. "Ein YU-71 Hyperschall-Gefechtskopf montiert auf einer Sarmat Interkontinentalrakete wäre die tödlichste Nuklearwaffe, die nach dem Ende des Kalten Krieges eingeführt worden ist", schreibt "The Diplomat", ein internationales Magazin für Berichte aus dem asiatisch-pazifischen Raum.
Awangard ist ein ultraschneller Gleiter, der am Rande der Atmosphäre navigiert. Er wird von einer Rakete in die Höhe gebracht. Auf dem Scheitelpunkt der Laufbahn macht er sich selbstständig. Dabei soll der Gleiter nicht nur extreme Geschwindigkeiten von mehr als der fünffachen Schallgeschwindigkeit erreichen, sondern zudem voll manövrierfähig sein. Das unterscheidet Awangard von der "Kinshal"-Rakete, die nur begrenzt manövrieren kann.
Blamage für Russland als Atommacht
Einsatzfähige Sarmat RS-28 würden Putins Nukleardrohungen massiv untermauern. Im russischen TV oder auch von Duma-Abgeordneten wird die angebliche Überlegenheit dieser Waffe regelmäßig beschworen. Mit dem Gleiter und der Rakete würde der Kreml über die mit Abstand modernste und gefährlichste Nuklearwaffe der Welt verfügen. Die erneute Explosion – ob nun Fehlstart oder Betankungsfehler – wirft diese Pläne zurück.
Der Kreml hat die RS-28 Sarmat als zentrale Säule seiner Abschreckungsstrategie und als Hauptbedrohung für den Westen angepriesen und die Rakete häufig bei Militärübungen, Paraden und anderen öffentlichen Vorführungen gezeigt. Am 1. September 2023 erklärte Roskosmos-Generaldirektor Juri Borissow sogar, das Waffensystem sei offiziell in den aktiven Dienst versetzt worden. Erfolgreiche Sarmat-Tests würden den Status Russlands als Nation mit gewaltigen nuklearen Kapazitäten erhalten.
Die wiederholten Fehlschläge lassen die Sarmat jedoch eher als Propagandainstrument erscheinen. Eine Quote von 80 Prozent Fehlstarts ist für ein strategisches Waffensystem nicht hinnehmbar.
Konventionelle Option der Sarmat RS-28
Dabei würde Russland eine funktionsfähige Sarmat RS-28 nicht nur zur Abschreckung nutzen können. Raketen dieser Dimension würden auch im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg neue Möglichkeiten eröffnen. Die RS-28 kann, aber muss nicht nuklear bewaffnet werden. Eine Version mit verkürzter Reichweite und erhöhter Nutzlast könnte einen so mächtigen konventionellen Gefechtskopf ins Ziel bringen, dass die Wirkung der einer taktischen Atombombe entspräche.