Nach der SPD-Niederlage wittern Saskia Eskens Kritiker ihre Chance, die Chefin auszutauschen. Das sorgt für Unruhe. Für die SPD-Frauen sind die Angriffe "weder fair noch richtig".
Nach der historischen Wahlniederlage werden Forderungen nach einer personellen Erneuerung laut. Viele zeigen dabei auch auf Saskia Esken, die seit 2019 Teil der Doppelspitze ihrer Partei ist und wegen schwacher Auftritte schon seit Längerem unter kritischer Beobachtung steht – während ihr Co-Vorsitzender Lars Klingbeil seine Machtbasis ausbaut. Nicht alle empfinden das als gerecht.
Maria Noichl, die Co-Vorsitzende der SPD-Frauen, stellt sich nun hinter die angeschlagene Parteivorsitzende: "Saskia Esken war im Wahlkampf immer eine laute Stimme für Gleichstellung. Sie ist eine ehrliche, mutige Frau, die dorthin zeigt, wo Veränderungen in Deutschland nötig sind", sagt Noichl dem stern. Die EU-Parlamentariern aus Rosenheim fügt hinzu: "In Bayern haben wir dafür einen Spruch: Viel Feind – viel Ehr´."
SPD-Co-Chefin in der Kritik – "verlockend, aber weder fair noch richtig"
Die Sozialdemokraten haben bei der Bundestagswahl mit 16,4 Prozent eine historische Niederlage erfahren. Klingbeil, 47, kündigte daraufhin eine umfassende Neuaufstellung der Partei an und forderte einen "Generationenwechsel". Noch am Wahlsonntag griff Klingbeil nach dem Fraktionsvorsitz, um ein starkes Mandat für Verhandlungen mit der Union über ein mögliches Regierungsbündnis zu haben.
Am Mittwoch hat ihn die Fraktion mit 85,6 Prozent – ein "ehrliches Ergebnis" (Klingbeil) – ins Amt gewählt. Dass Klingbeil unmittelbar nach der Wahlniederlage den Fraktionsvorsitz beansprucht hat, wird in der SPD auch kritisch gesehen. Schließlich habe auch er einen Anteil an der Niederlage.
Maria Noichl, Co-Bundesvorsitzende der SPD Frauen: "Deshalb kann ein Misserfolg niemals an einer Frau festgemacht werden"
© Frank Hoermann / SVEN SIMON/
Dass sich die innerparteiliche und mediale Kritik vor allem an Esken, 63, zu entladen scheint, irritiert die Co-Vorsitzende der SPD-Frauen. "Die Doppelspitze, der Kanzler und der Parteivorstand hatten den Auftrag, den Wahlkampf zu planen und zu leiten. Als Team", sagt Maria Noichl. "Deshalb kann ein Misserfolg niemals an einer Frau festgemacht werden." Dies sei für manche "verlockend, aber weder fair noch richtig". Noichl: "Der Grundsatz: Wir gewinnen zusammen, wir verlieren zusammen, gilt."
Die SPD-Frauen – ehemals die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) – sind eine von mehreren Arbeitsgemeinschaften in der SPD und haben nach eigenen Angaben die Gleichstellung von Frauen und Männern in Partei und Gesellschaft zum Ziel. Der Organisation gehören automatisch alle weiblichen Mitglieder der SPD an, nach eigenen Angaben seien das rund 150.000 Frauen, damit rund 31 Prozent aller SPD-Mitglieder. Eine formale Mitgliedschaft, etwa durch einen Aufnahmeantrag, gebe es nicht.
Saskia Esken bei Verhandlungen dabei
Viele hatten nach der Wahl fest mit Saskia Eskens Ablösung gerechnet. Esken zeigt sich nach außen davon unbeeindruckt, betont, dass sie mit großer Freude Parteichefin sei und es weiterhin bleiben will. Auch bei den schwarz-roten Verhandlungen wird sie dabei sein, ließ sie über einen Sprecher im "Tagesspiegel" ausrichten.
Dass in einem Medienbericht ein anderer Eindruck erweckt wurde, sorgte in Eskens Umfeld für Irritationen, schließlich ist auch sie Parteivorsitzende, daher natürlich bei etwaigen Verhandlungen dabei.
Im Dezember soll der nächste reguläre SPD-Wahlparteitag stattfinden. Wahrscheinlich wird dieser im Zuge von möglichen Sondierungs- oder Koalitionsverhandlungen vorgezogen. Ob Esken dann noch einmal antreten würde, ist unklar. Wer in die Partei hineinhört, stößt vor allem auf Skepsis. Esken müsste dafür wohl gewaltige Überzeugungsarbeit leisten.