Derzeit gibt es kaum ein Foto, auf dem der kommende US-Präsident Trump nicht mit Elon Musk zu sehen wäre. Der Superreiche mischte im Wahlkampf mächtig mit. Unter anderem mithilfe seines sozialen Netzwerks X.
Elon Musk hat mit Donald Trumps Sieg bei der Präsidentschaftswahl viel Geld verdient. Zudem erhielt der Tech-Milliardär direkten Zugang zum Republikaner. Er fliegt mit ihm und dessen Familie, sie gehen gemeinsam zum Mixed-Martial-Arts-Kampf, posieren für Fotos. Es ist unklar und wird sich wohl nie feststellen lassen, wie viel Einfluss Musk tatsächlich auf den Wahlkampf und dessen Ergebnis hatte. Angestrengt hat er sich, war bei Trumps Wahlkampfauftritten dabei, tourte selbst durchs Land, lobte viel Geld aus. Und er hat X womöglich zu einer Nachrichtenschleuder für konservative Inhalte gemacht. Dies legen die Ergebnisse von zwei australischen Medienforschern nahe.
In ihrem Arbeitspapier, das bislang nicht offiziell veröffentlicht ist, haben die Wissenschaftler der Technischen Universität Queensland eine "strukturelle Verschiebung" beim sozialen Netzwerk festgestellt, die auf "Änderungen auf Plattformebene schließen lässt". Heißt: Der Algorithmus wurde zugunsten von Musk sowie republikanischer Konten und Inhalte geändert. Und zwar am 13. Juli, als der Superreiche seine Unterstützung für Trump im Präsidentschaftswahlkampf bekanntgab.
X ist zwar nicht das verbreitetste soziale Netzwerk in den USA, aber nahm unter seinem vorherigen Namen Twitter eine Sonderstellung ein. Nutzer sehen und lesen Nachrichten meistens auf entsprechenden Seiten, laut Pew Research tun dies 65 Prozent der Erwachsenen in den Vereinigten Staaten. Aber 54 Prozent informieren sich auch über die sozialen Netzwerke, 18 Prozent sogar am liebsten. Nie war der Anteil höher, auch während der Corona-Pandemie nicht. Auf das Fernsehen verließen sich 32 Prozent der Befragten.
"Reparaturen" ab 2:36 Uhr
Twitter war unter sozialen Netzwerken die schnellste Plattform mit der größten indirekten Reichweite. Journalisten lasen es, denn Nachrichtenagenturen brachten darüber ihre Breaking News in Umlauf; so wie Rechercheure ihre Erkenntnisse oder Wissenschaftler ihre Ergebnisse. Kurzum: Twitter war wichtig. Dann kam Musk. Der inszeniert sich zwar wie seine neuen Verbündeten als Verteidiger der Meinungsfreiheit und Neutralität. Aber die Realität sieht anders aus.
Im Oktober 2022 hatte der Tech-Milliardär das soziale Netzwerk gekauft. Der neue Besitzer feuerte große Teile des Teams, weil er die Mitarbeiter für unnötig und kostspielig hielt. Seither behandelt er das Netzwerk wie sein persönliches Spielzeug. Musk änderte den Namen von Twitter zu X. Prüfmechanismen für falsche Inhalte setzte er aus. Exemplarisch für sein Vorgehen wirken auch die Vorkommnisse rund um den 12. Februar 2023. In der Nacht des Super Bowl, um 2:36 Uhr, verschickte Musks Cousin James eine Nachricht an alle wachen Mitarbeiter; es müsse dringendst etwas "debugged", also ein Fehler korrigiert werden. Der Grund: US-Präsident Joe Bidens Tweet über den Super Bowl wurde 29 Millionen Mal angesehen. Elon Musks nur 9,1 Millionen Mal.
Musk flog nach Kalifornien und drohte seinen Programmierern. Falls die Angelegenheit nicht "repariert" werde, würden alle gefeuert. Die Angestellten fügten sich. Die Tweets des Eigentümers werden nun höher als alle anderen eingestuft und angezeigt. Einen seiner beiden Hauptingenieure hatte Musk bereits wenige Wochen zuvor gefeuert, weil der ihm gesagt hatte, das Interesse an den Veröffentlichungen des neuen Chefs nehme ab. Mit Musk ist offenbar nicht zu spaßen, wenn er nicht bekommt, was ihm gefällt.
"X-odus im Gange"
Schon bevor sich Musk einmischte, hatten die Twitter-Analysten im Jahr 2021 festgestellt, dass das Netzwerk in fünf untersuchten Ländern einen leichten konservativen Drall hatte: Bei politischen Inhalten aus Deutschland, Frankreich, Kanada, Japan, Spanien, Großbritannien und den USA war die Tendenz in der Bundesrepublik noch am schwächsten. Doch da war die Bevorzugung der Inhalte ungewollt, die KI entschied. Die Analysten vermuteten, dies habe mit unterschiedlichen Tweet-Strategien zu tun.
Das Ungleichgewicht hat sich durch den veränderten Algorithmus vergrößert. Das gefällt offenbar einem Teil der Nutzer nicht. Nach Trumps Wahlsieg sei "der X-odus im Gange", schrieb "The Guardian". Demnach haben viele Nutzer das soziale Netzwerk verlassen. Bei anderen wird es womöglich gar nicht festzustellen sein, wenn sie ihre Konten einfach veröden lassen statt sie zu löschen. In der ersten Woche nach der Wahl erstellten mehr als eine Million Nutzer ein neues Konto beim Twitter-Klon Bluesky, im November bereits mindestens 15 Millionen bei Facebooks Version Threads.
Musk sagte im April 2022, er kaufe Twitter nicht, um Geld zu verdienen. Sondern um das soziale Netzwerk zu einer "Plattform für freie Meinungsäußerung auf der ganzen Welt" zu machen, die er als "gesellschaftliche Notwendigkeit für eine funktionierende Demokratie" anpries. Aber manche Meinungen sind offenbar wertvoller als andere.