Scholz' Herumgetänzel in Schachtelsätzen ist berühmt-berüchtigt. Scholzen wird es im politischen Berlin genannt. Vor der Neuwahl zeigt Scholz nun: Er kann auch ganz anders.
Kanzler Olaf Scholz hat seine Regierungserklärung im Bundestag genutzt, um zu zeigen, wofür er steht. Er wirkt wie ausgewechselt. Botschaften im Stakkato statt Herumgetänzel in Schachtelsätzen, das im politischen Berlin sogar ein eigenes Verb prägte: scholzen. Der Kanzler weiß: Als Kandidat hat er nur 102 Tage für den Wahlkampf. Das ist wenig Zeit. In der Tat wirkt Scholz etwas gehetzt. Die knappen Sätze, klaren Aussagen und kraftvollen Handbewegungen sind aber ein wohltuender Kontrast zum Herumlavieren der vergangenen drei Jahre.
Gegen soziale Einschnitte, gegen Verteilungskämpfe, gegen Taurus-Lieferungen an die Ukraine: Scholz bringt seine Agenda auf den Punkt - in deutlicher Abgrenzung zum Programm des Oppositionsführers Friedrich Merz ist. Er setzt auf die Klassiker der sozialdemokratischen Forderungen. Diese verpackt er elegant. Schlanke Sätze wie "Sicherheit und Zusammenhalt: Das eine ist ohne das andere nicht zu haben" oder "Das gibt es ausdrücklich nicht mit mir: Rentenkürzungen durch Unterlassen" bleiben im Ohr. Das Scholzen hat ein Ende.
Wo war dieser stringente, dieser entschlossene Scholz in den letzten drei Jahren? Manch einer fragt sich das vielleicht. Eine klare Linie zu kommunizieren - das gelang Scholz als Regierungschef in den allermeisten Fällen nicht. Was jammerschade war. Allerdings hatte Scholz auch den schwierigen Job des Vermittlers zwischen den drei Ampel-Parteien, die sich schließlich nur noch stritten. Zurückhaltung war gefragt.
Scholz räumt erstmals Verantwortung für Ampel-Aus ein
Nur eins ist auch klar: Gelungene Führung wäre es gewesen, wenn SPD, Grüne und FDP nicht dauernd öffentlich gestritten hätten. Und die Pressekonferenzen mit Scholz waren auch kein Vergnügen. Sie haben sich angefühlt wie Nachsitzen. Im Wahlkampf jedoch hat das Scholzen keine Funktion mehr. Der Kanzler braucht jetzt ein möglichst breites Publikum.
Auch das ließ vermutlich manchen im Plenarsaal aufhören: Scholz räumte in seiner Erklärung erstmals öffentlich ein, er habe seinen Teil zum Ampel-Aus beigetragen. "Ich habe auch für mich die Konsequenz gezogen: Öffentlicher Streit darf nie wieder die Erfolge der Regierung überlagern. Dafür werde ich sorgen; mit den Konsequenzen, die das dann haben kann." Bislang hatte er stets FDP-Chef Christian Lindner als Alleinschuldigen für den Bruch der Koalition dargestellt. Regieren funktioniere nicht, indem man nur mit der Faust auf den Tisch haue oder alle anderen zu Gegner erkläre, sagt Scholz an anderer Stelle. Während seiner Rede haut er dennoch mehrmals mit der Handkante auf das Rednerpult. Aber das kommt besser rüber als Scholzen.