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Griff nach Ausschussposten: Die AfD beansprucht mehr Mitsprache



Die AfD zieht als zweitstärkste Kraft in den nächsten Bundestag ein - etabliert wie andere Fraktionen ist sie dort aber bei Weitem nicht. Einen Vizepräsidenten stellt sie bis heute nicht, und auch in einige wichtige Ausschussposten wird sie nicht gewählt. Die Spitze der in Teilen rechtsextremistischen Partei hält das für einen Skandal und fordert für sich Normalität ein. Doch die Sache ist kompliziert.

Was will die AfD?

Die AfD fordert, so behandelt zu werden wie andere Fraktionen auch. "Ich kann nur hoffen, dass die anderen Fraktionen ihre Gangart gegenüber der AfD nicht fortführen, sondern zu einer demokratischen Auseinandersetzung übergehen", sagte Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel zuletzt. Konkret fordert sie für ihre Fraktion wie schon lange einen Vizepräsidenten im Bundestag, zudem Vorsitz-Posten in Bundestagsausschüssen und einen Platz im Parlamentarischen Kontrollgremium, das die Geheimdienste beaufsichtigt.

Wie ist die Situation bei den Vizepräsidenten?

Das Bundestagspräsidium wird bei der konstituierenden Sitzung am 25. März gewählt. Die stärkste Fraktion stellt üblicherweise den Präsidenten, dann wird einzeln über seine Stellvertreter abgestimmt. Deren Zahl ist nicht vorgeschrieben, die Geschäftsordnung sieht aber für jede Fraktion die Entsendung mindestens eines Vizepräsidenten vor. Die AfD stellte 26 Mal einen Kandidaten zur Wahl, bekam aber nie eine Mehrheit. Die SPD kündigte schon an, auch diesmal keinen AfD-Abgeordneten zum Vizepräsidenten zu wählen. Zwar ist es im Bundestag üblich, dass jede Fraktion einen Vizepräsidenten stellt - die Abgeordneten sind aber nicht zur Wahl eines Kandidaten verpflichtet.

Warum ist das Parlamentarische Kontrollgremium so heikel?

Das PKGr ist für die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes zuständig und überwacht unter anderem den Verfassungsschutz, der die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall beobachtet. Hätte die AfD dort einen Platz, könnte sie Akteneinsicht und Zutritt zu den Dienststellen des Verfassungsschutzes verlangen. Ab 2017 war sie im PKGr vertreten. 2021 wurde sie aber nicht mehr in das zwölfköpfige Gremium gewählt. Der AfD ist das ein Dorn im Auge, weil sie ihre Beobachtung für unrechtmäßig hält und immer wieder Einblick in die Arbeit des Verfassungsschutzes verlangte.

Was machen die Ausschüsse?

In den Ausschüssen findet die wesentliche Gesetzgebungsarbeit statt. Sie bereiten die Entscheidungen vor, die später im Plenum fallen. Derzeit hat der Bundestag 25 ständige Ausschüsse. Jede Fraktion entsendet entsprechend ihrer Größe unterschiedlich viele Abgeordnete - auch die AfD. Die Vorsitzenden haben darin eine bedeutende Position: Sie bereiten die Sitzungen vor, berufen sie ein und leiten sie. Auch der Termin und die Tagesordnung werden vom Vorsitzenden festgelegt. Außerdem repräsentieren sie die Ausschüsse häufig in der Öffentlichkeit.

Wie ist die Sache geregelt?

Wie die Ausschüsse zu ihren Vorsitzenden und Stellvertretern kommen, handeln die Fraktionen untereinander aus. So leitet die SPD derzeit etwa den Arbeits- und Familienausschuss, die Union den Haushaltsausschuss, die Grünen den Umwelt- und die FDP den Verteidigungsausschuss. Wenn sich die Fraktionen nicht einigen - wie 2021 - wird die Zahl der Vorsitzposten mit einem mathematischen Verfahren berechnet. Der AfD hätten danach im scheidenden Bundestag drei Ausschüsse zugestanden - für Inneres, Gesundheit und Entwicklungszusammenarbeit. Die anderen Fraktionen weigerten sich allerdings, die AfD-Kandidaten als Vorsitzende zu wählen. Die Ausschüsse werden vorläufig von den Stellvertretern geleitet.

Wie reagiert die AfD bisher darauf?

Die AfD wirft den anderen Fraktionen vor, gegen parlamentarische Gepflogenheiten zu verstoßen. Im Gesundheitsausschuss sorgte die AfD für einen Eklat: Der AfD-Angeordnete Kay-Uwe Ziegler nahm den Vorsitzenden-Platz ein und erhob Anspruch auf die Sitzungsleitung. Die anderen Abgeordneten boykottierten die Sitzung, bis Ziegler aufgab. Auch juristisch wollte die AfD die Ausschussvorsitze einklagen und zog sogar vor das Bundesverfassungsgericht. Das urteilte im September, dass die AfD keinen rechtlichen Anspruch auf Ausschussvorsitze hat. Ausschüsse dürften die Entscheidung über ihre Vorsitzenden selbst treffen und dazu eine freie Wahl abhalten, entschied das Gericht.

Was ändert sich nun?

Die Streitfrage bleibt die gleiche, aber die Dimension wird größer. Die Union als bisher zweitstärkste Kraft steht derzeit noch acht Ausschüssen vor. Bliebe es bei der Zahl von 25, stünden der AfD entsprechend ihrem Sitzanteil bald die Leitungen von sechs Ausschüssen zu. Welche das sind, vereinbaren üblicherweise die Fraktionen untereinander. Nach parlamentarischem Brauch übernimmt ein Mitglied der größten Oppositionsfraktion - nun also wie 2017 wieder der AfD - unter anderem den Vorsitz im wichtigen Haushaltsausschuss. Damals war der AfD-Abgeordnete Peter Boehringer Vorsitzender. Einstimmig gewählt wurde er aber schon damals nicht.

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