Alice Weidels Privatleben, psychologische Betreuung für Migranten und ein "trojanisches Pferd": In der ARD-Wahlarena ging es teils hoch her. Wir haben die Highlights gesammelt.
Vier Kanzlerkandidaten, viele Fragen – und ein bunter Mix an Themen. Zwei Stunden lang stellten sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seine Herausforderer Friedrich Merz (CDU), Robert Habeck (Grüne) und Alice Weidel (AfD) am Montagabend den Fragen des Publikums in der ARD-Sendung "Wahlarena". Sie standen nacheinander dem Publikum Rede und Antwort. Die Bürgerinnen und Bürger konnten die Themen ihrer Fragen selbst wählen. Es ging um große Themen wie Migration, Alterssicherung und Kita-Betreuung – aber auch um sehr spezielle Fragen wie Problemen bei der Therapeutenausbildung oder Bürokratiebelastung im Bäckerhandwerk.Bundestagswahl TV-Quadrell Live Faktencheck
Friedrich Merz über psychologische Betreuung von Migranten
Unionskandidat Merz, der in Umfragen führt, verteidigte seinen harten Kurs in der Migrationspolitik. Die Zahl der Zuwanderer sei "zu hoch", und wer kein Aufenthaltsrecht habe, müsse ausreisen, sagte er. Mit klarer Ablehnung reagierte der CDU-Chef auf die Forderung einer Zuschauerin im Studio, die psychologische Betreuung von Migranten zu verbessern, um Straftaten zu verhindern. "Wir können doch nicht für hunderttausende Menschen, die hier kein Aufenthaltsrecht haben, psychiatrische Hilfe zur Verfügung stellen", sagte Merz.
Der Unions-Kanzlerkandidat machte auch klar, dass er bei seinen Plänen zu Streichungen beim Bürgergeld mit Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht rechne. Darauf wolle er es ankommen lassen. "Diejenigen, die nicht arbeiten, aber arbeiten könnten, werden in Zukunft kein Bürgergeld mehr bekommen", sagte Merz.STERN NTV Jauch-Frage im Quadrell. 18.45
Als jemand nach dem Deutschlandticket fragte, ließ Merz wissen: "Ich fahre hier in Berlin relativ häufig S-Bahn und U-Bahn, meine Sicherheitsleute mögen das mittlerweile nicht mehr, aber ich fahre hier sehr viel." Er sprach sich grundsätzlich dafür aus, das Deutschlandticket über das laufende Jahr hinaus zu erhalten. Man müsse sich mit den Ländern darüber verständigen, wie das zu bezahlen sei, "denn das ist ein ziemlich teures Projekt". Merz schränkte zudem ein, das Ticket sei "vor allen Dingen etwas für die Ballungsräume".
Mit Kanzler Scholz war sich Merz einig, dass in einem künftigen Bundeskabinett kein Platz für sie beide sei. "Das halten wir beide für relativ unwahrscheinlich", sagte Merz auf die Frage, ob beide gemeinsam einer Regierung angehören könnten. Scholz stimmte Merz später zu: "Wo er Recht hat, hat er Recht. Ich will Kanzler bleiben, er will es werden."
Olaf Scholz zur Rente und Mietpreisbremse
Scholz versuchte anschließend vor allem bei den Themen Rente, soziale Gerechtigkeit und Außenpolitik zu punkten. Scholz sicherte zum Beispiel zu, in einer zweiten Amtszeit die Festschreibung des Rentenniveaus zu verlängern. Diese bei 48 Prozent des Durchschnittseinkommens liegende sogenannte Haltelinie läuft dieses Jahr aus. "Wenn man einen sozialdemokratischen Kanzler hat, wird es verlängert", sagte Scholz dazu.
In der Außenpolitik betonte der Kanzler die Rolle eines geeinten Europas im Zollstreit mit den USA. "Gerader Rücken hilft da auch in dieser Sache", sagte Scholz. Wenn sich die europäischen Staaten miteinander verständigten, "ist es für die USA gut und für uns auch", fuhr Scholz fort. "Wenn jemand vorschlägt, mit Zöllen auf Europa einzuwirken, können wir zurückwirken, damit wir am Ende nicht so einen Zollstreit haben."
Eine Bürgerin aus dem Umland von Hamburg erzählte Kanzler Olaf Scholz (SPD), ihr sei zweimal das Zuhause genommen worden wegen Eigenbedarf. Mit jedem Umzug sei es teurer geworden. Bei der Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum habe die Bundesregierung ihr Ziel verfehlt. Scholz gab zurück, es brauche "konkrete Maßnahmen bei den vorhandenen Mieten", etwa die Verlängerung der Mietpreisbremse. Außerdem habe die Bundesregierung die Grundlage geschaffen dafür, dass mehr bezahlbare neue Wohnungen gebaut werden könnten.
Alice Weidel über die Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften
AfD-Chefin Weidel gab sich in der Sendung betont gemäßigt und zugewandt. In der Migrationspolitik verzichtete sie auf radikale Forderungen etwa nach Remigration, die sie auf AfD-Veranstaltungen regelmäßig erhebt. Stattdessen sprach sie sich für Fachkräftezuwanderung aus. Zugleich forderte Weidel: "Illegale sind in unserem Land nicht mehr willkommen. Wir werden sie ausweisen."
Ein Zuschauer erklärte, er sei homosexuell und habe Angst. "Übrigens sollten Sie auch Angst haben", fügte er hinzu. Er warf der AfD-Kandidatin vor, dass Mitglieder ihrer Partei Homosexuelle "wieder ins Gefängnis oder ins KZ stecken" wollen würden. "Wie können Sie eigentlich Mitglied dieser Partei sein als homosexuelle Person?", fragte er Alice Weidel. "Sie vertreten nämlich alles, wofür die AfD nicht steht", erklärte er weiter. Die Kanzlerkandidatin antwortete daraufhin ausweichend. Quadrell Pressestimmen 4.45
Auf Nachfrage einer Zuschauerin im Publikum sprach Weidel auch über ihre privaten Lebensverhältnisse: "Wie passt ihr Lebensentwurf zum Wahlprogramm der AfD?", wurde die in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebende Kanzlerkandidatin gefragt. Alice Weidel erklärte, es handele sich bei dem Familienbild der AfD um ein "Leitbild": "Vater, Mutter Kind". Sie sei aber überzeugt, "dass Lebenspartnerschaften von Homosexuellen – Frau und Frau, Mann und Mann – gleichgestellt sein sollten, ohne das Institut der Ehe zu berühren", sagte sie. Dass sie selbst mit einer Frau zwei Söhne großziehe, sei für sie kein Widerspruch zum Programm der AfD.
Die Zuschauerin fragte daraufhin nach: "Und Sie glauben, dass Herr Höcke das auch so sieht?" Daraufhin lachte Alice Weidel herzlich und antwortete: "Ich nehme die Frage gerne mit. Ich glaube schon."
Alice Weidel sprach auch über die steuerlichen Implikationen der Ehe: "Warum sollte ich und meine Frau nicht steuerlich gleichgestellt sein, wie in einer normalen Ehe?" Es sei ein großes Thema bei ihr zu Hause, und sie diskutiere mit ihrer Frau darüber, wie es erbschaftsteuerlich geregelt sei, wenn sie versterbe. "Und da glaube ich, dass unsere Lebenspartnerschaft nicht nachrangig sein sollte zu einer traditionellen Ehe." Diese Forderung wird von der AfD als Partei im Wahlprogramm nicht vertreten.
Robert Habeck über eine "Schwachsinnsdebatte" und "Technologieoffenheit"
Der Grünen-Kandidat Habeck wurde wenig zum Thema Klimaschutz befragt, sondern eher zu den Bereichen Wirtschaft und Finanzen. Der amtierende Wirtschaftsminister plädierte dabei insbesondere für eine "Investitionsprämie", um Unternehmen, insbesondere in der Industrie, nach Deutschland zu locken oder sie hier zu halten. Davon erhoffe er sich einen "Kickstart" für die schwächelnde Konjunktur.Bundestagswahl TV-Quadrell Live Blitzumfrage
Auf die Frage, welches Thema im Wahlkampf zu wenig Beachtung gefunden habe, sagte Habeck: "offensichtlich Klimaschutz". Er kritisierte Merz für dessen Forderung nach "Technologieoffenheit" in den Bereichen Verkehr und Heizen: "Hinter dem Wort 'technologieoffen' verbirgt sich der Angriff auf die Klimaziele. Es ist eine Schimäre, ein trojanisches Pferd, das nicht meint, was es sagt."
Habeck spricht am Rande der Wahlarena zu Atomkraft
Er schloss außerdem einen Wiedereinstieg in die Atomkraft im Falle einer Regierungsbeteiligung seiner Partei mit Friedrich Merz als Kanzler aus. Das sagte er am Rande der Wahlarena im Interview auf dem ARD-Kanal auf der Plattform Twitch.
Habeck sprach von einer "Schwachsinnsdebatte". Keiner von denen, die über Atomkraft redeten, könne Fragen nach den Kosten für den Wiedereinstieg oder ein Atommüllendlager beantworten. "Im Grunde muss man sagen: Erst wenn Ihr diese Fragen beantworten könnt, dann führen wir die Debatte vernünftig. Geht nach Hause und kommt wieder, wenn ihr die Antworten habt. Die werden nie wiederkommen."
Die gesamte Sendung ist in der ARD-Mediathek unter diesem Link abrufbar.
Mit AFP und DPA